Am 3. September 2023 verstarb Professor Dr. George Guțu, eine namhafte Persönlichkeit der rumänischen Germanistik und der Bukowina-Forschung. Geboren am 16. März 1944, studierte er in Bukarest und Leipzig, wo er 1977 über die rumänische Koordinate der Lyrik Paul Celans promovierte. Zahlreiche Initiativen und Bemühungen um die Unterstützung und Förderung der deutschen Kultur, Sprache und Literatur auf Landesebene sowie internationale Kontakte, Partnerschaften und Projekte zeichnen seine bemerkenswerte akademische Tätigkeit aus.
Gleich nach der Wende gründete er die in der Zwischenkriegszeit noch bestehende, doch seit 60 Jahren nicht mehr tätige Gesellschaft der Germanisten Rumäniens (GGR) neu, der sich 1992 das Fachorgan Zeitschrift der Germanisten Rumäniens anschloss. Die Tradition der rumänischen Germanistik-Schule wurde weiterhin fortgesetzt, indem der internationale Kongress der Germanisten Rumäniens dank Guțus Anstrengungen ab 1994 wieder stattfinden durfte und bis heute alle drei Jahre veranstaltet wird. Mit seinem Namen stehen die Buchreihe GGR-Beiträge zur Germanistik, das Goethe-Jahrbuch und Transcarpathica in Verbindung. Professor Guțu war auch der Gründer der Goethe-Gesellschaft sowie des Forschungs- und Exzellenzzentrums »Paul Celan«. Zwischen 1997 und 2011 leitete er das Bukarester Institut für Germanistik, sorgte aber auch für Kontakte mit dem rumänischen Deutschlehrerverband und setzte sich für die Förderung der deutschen Sprache und Kultur im Schulunterricht ein.
Er war Autor und Mitherausgeber von Monografien (zu erwähnen ist hier die zweibändige, 2020 im Berliner Frank & Timme Verlag veröffentlichte revidierte Fassung seiner Dissertation unter dem Titel Celaniana 1: Paul Celans frühe Lyrik und der geistige Raum Rumäniens und Celaniana 2: Die Lyrik Paul Celans und die rumänische Dichtung der Zwischenkriegszeit) und Büchern zur rumäniendeutschen Literatur mit dem Schwerpunkt Bukowina (Die Buche. Eine Anthologie deutschsprachiger Judendichtung aus der Bukowina. Zusammengestellt von Alfred Margul-Sperber, aus dem Nachlass mit Peter Motzan und Stefan Sienerth im IKGS-Verlag 2009 herausgegeben), von über 150 Fachstudien sowie Übersetzungen unter anderem aus dem Werk von Rose Ausländer, Emil Cioran, Hermann Hesse oder Hans Bergel. Gastprofessuren an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), La Sapienza in Rom und der Universität Trier krönten seine Tätigkeit in Forschung und Lehre. Seine vielseitigen Leistungen wurden 2011 mit dem rumänischen Orden für kulturelle Verdienste im Rang eines Ritters und ein Jahr später mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet.
Guțu gehörte auch zu den Gründungsmitgliedern des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München.
»Die Mischung aus südöstlichem Gleichmut, lateinischem Esprit und preußischer Genauigkeit machen ihn zu einer Persönlichkeit, deren Charisma auch im privaten Umgang ihre ebenso überzeugende wie sympathische Wirkung ausübt.« So beschrieb Hans Bergel die fachliche Kompetenz sowie seine angenehme Art, mit Menschen umzugehen, seien es Wissenschaftler*innen, Studierende, Doktorand*innen oder einfach Leute außerhalb des Universitätswesens. Sein Vermächtnis wird mit Sicherheit über seine Veröffentlichungen und akademischen Initiativen hinausgehen. Es umfasst Generationen von Germanist*innen, Deutschlehrer*innen und Forscher*innen, die er geformt und inspiriert hat. Viele von ihnen sind auf jenen Gebieten tätig, wo er durch seine herausragenden Pionierleistungen neue Wege geöffnet hat, und tragen sein Gedankengut weiterhin in die Welt hinaus.
Die deutsche Philologie hat einen ausgewiesenen Gelehrten, die rumänische Germanistik einen unermüdlichen Förderer, seine Kolleg*innen einen Vertrauten, Freund und Mentor verloren.
Möge er in Frieden ruhen.
Raluca Rădulescu
Raluca Rădulescu ist Professorin für Interkulturelle Germanistik am Institut für Germanische Sprachen und Literaturen der Universität Bukarest. Sie promovierte 2008 bei Prof. Dr. George Guțu über Hans Bergel und die rumäniendeutsche Literatur der Gegenwart.
Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 2 (2023), Jg. 18, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 239–240.