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Ágnes Ózer: Neusatz / Novi Sad. Kleine Stadtgeschichte. Mit einem literarischen Essay von Lászlo Végel | Rezension

Ágnes Ózer: Neusatz/Novi Sad. Kleine Stadtgeschichte. Mit einem literarischen Essay von Lászlo Végel. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2022. 176 S. 

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Von Zoran Janjetović 

 

Im Jahr, in dem Neusatz (sr. Novi Sad) europäische Kulturstadt wurde, erschien in Friedrich Pustets Verlagsserie Kleine Stadtgeschichte die Überblicksdarstellung ihrer Geschichte aus der Feder von Ágnes Ózer, einer exzellenten Kennerin der Stadt und ihrer Vergangenheit. Das Buch richtet sich in erster Linie nicht an Wissenschaftler, sondern an ein breites Publikum, das hoffentlich die Stadt besuchen wird. Es besteht aus acht Hauptteilen, die chronologisch-thematisch geordnet sind. Im Anschluss steht ein Essay des Neusatzer Schriftstellers László Végel, der wie die Glasur auf der Torte daherkommt.

Am Anfang steht das Vorwort des Herausgebers (S. 7f.), des damaligen Direktors des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm, Christian Glass. In ihm werden die wichtigsten Punkte angesprochen, die weiter im Buch ausführlicher behandelt werden. Ähnlich, aber in größerem Format ist die Einführung der Verfasserin selbst unter dem Titel Neusatz / Novi Sad – eine Multiethnische Stadt (S. 9–12). Es handelt sich um einen kurzen Überblick von der Steinzeit bis zur Gegenwart, der als Einladung zum Lesen dient.

Das erste Kapitel, Links der Donau: Neusatz entsteht (S. 13–25), schildert die früheste Geschichte der Siedlungen in der Neusatzer Gegend sowie das Entstehen der Stadt selbst – gegenüber der Peterwardeiner Festung: zuerst als ihr wirtschaftliches Anhängsel und dann ziemlich bald als unabhängiger aufstrebender Marktflecken, der 1748 das Stadtrecht erlangte. Viel Platz wird der bunten ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung der Stadt gewidmet, sowohl vor als auch nach der Erreichung des Status der freien königlichen Stadt. Die multiethnische Bevölkerung fand ihren Niederschlag auch im Stadtnamen selbst: Neben dem offiziellen lateinischen (Neoplanta) führte die neue Stadt noch drei Parallelnamen in den drei Hauptsprachen Deutsch, Serbisch und Ungarisch (Neusatz, Novi Sad, Újvidék). Darüber hinaus findet der Leser in diesem Kapitel die wichtigsten Daten über die innere Organisation der Stadt sowie über ihre Wirtschaft.

Das zweite Kapitel, Peterwardein – Festung an der Donau (S. 26–40), schildert das Entstehen und die Entwicklung der anfänglich wichtigeren der zwei Schwestersiedlungen – Peterwardein, von der römischen Burg über das mittelalterliche Kloster bis zu einer der größten europäischen Festungen aus der Neuzeit. Eigentlich wurde im Mittelalter aus dem befestigten Kloster unter Türkennot eine Festung. Seither wurde sie mehrmals umgebaut, bevor sie zwischen Ende des 17. und späten 18. Jahrhunderts ihr heutiges Gesicht bekam. Das Hauptaugenmerk gilt dabei dem Entstehen und der Beschreibung der Habsburger-Festung. Die bedeutende Schlacht bei Peterwardein im Jahr 1716, in der Prinz Eugen von Savoyen die Osmanen entscheidend schlug, wird auch beschrieben, ebenso wie die weitere Entwicklung der Festung bis zu den heutigen Tagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Festung immer mehr zivilen Zwecken: vom Kulturdenkmal bis zum Sitz zahlreicher Neusatzer Künstler und dem Standort eines der größten europäischen Musikfestivals. Aus chronologischen Gründen wäre es vielleicht besser, wenn dieses Kapitel am Anfang stünde, aber das ist wohl Geschmackssache.

Das dritte Kapitel, Revolutionsjahre in Neusatz (S. 41–47), stellt wahrscheinlich den schwierigsten Teil der Neusatzer Geschichte überhaupt dar. Es handelt sich um die dramatischen und danach tragischen Ereignisse im Rahmen der Ungarischen Revolution 1848/49. Sie werden ausführlich geschildert, aber es wäre gut gewesen, wenn die Autorin etwas mehr über den gesamten historischen Kontext, der den meisten Lesern wahrscheinlich nicht so bekannt ist, gesagt hätte: umso mehr, da sich die nationalen Gegensätze im Lande auf der Lokalebene widerspiegelten. Dasselbe gilt für die Darstellung der postrevolutionären Jahre bis 1860.

Es folgt ein historischer Sprung nach vorn, in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Das Kapitel mit dem Titel Neusatz in unruhigen Zeiten (S. 48–64) behandelt die bewegte politische Geschichte der Stadt seit 1914. Es ist vor allem eine Ereignisgeschichte als Spiegelung der breiteren politischen Geschichte, aber nicht nur: Die ethnische Struktur der Bevölkerung wird auch berücksichtigt sowie der Ausbau der Institutionen (deren Bedeutung weit über die städtische hinausging) und der Stadt selbst.

Mehr darüber findet man im nächsten Kapitel, Stadtentwicklung vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart (S. 65–76). Die Aufmerksamkeit wird dem Wirtschaftsleben gewidmet: der Industrie, der Donauschifffahrt, den Märkten, den Wirtschaftsausstellungen und den Messen. Die sozialistische Periode nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu den späten 1980er-Jahren wird als eine Blütezeit schlechthin dargestellt. Das Kapitel endet mit dem Exit-Festival, das mittlerweile europaweit bekannt geworden ist. Es entstand am Ende der Milošević-Ära als Vorbote der neuen Zeiten, in denen wir noch immer leben.

Das sechste Kapitel, Neusatz und seine multiethnische Gesellschaft (S. 77–108), kann als das thematisch zentrale angesehen werden. In ihm werden unterschiedliche ethnische Gruppen, die in der Stadt seit dem 18. Jahrhundert zusammenwohnten, ihre Einrichtungen und Schicksale dargestellt. Natürlich nimmt die Schilderung der Serben, Magyaren und Deutschen das Gros des Kapitels ein, aber auch kleinere Volksgruppen werden behandelt. Unter ihnen gehört den Juden ein besonders prominenter Platz. Im Rahmen des Themas Multiethnizität werden auch die Versuche der Magayrisierung in den letzten Jahrzehnten der Habsburgermonarchie und diverse Kirchen angesprochen.

Im nächsten Kapitel unter dem Titel Neusatz und die Donau (S. 109–118) wird die Beziehung zwischen der Stadt und dem Fluss beschrieben. Wie alle Donaustädte hatte Neusatz immer eine eigene, einmalige Beziehung zu dem größten europäischen Strom. Unterschiedliche Aspekte davon werden in diesem Kapitel untersucht: von der Überbrückung des Flusses über Fischerei bis zum Baden.

Die Verfasserin beendet den Haupttext des Buches mit der abschließenden Betrachtung Versuch einer Stadtbeschreibung (S. 119–127), in der sie einen historischen Spaziergang durch die Hauptstraßen unternimmt. Unterwegs beschreibt sie die wichtigsten Stätten und Gebäude, deren Geschichte sie zugleich schildert. Es handelt sich um existierende und nicht mehr existierende Objekte, die ihr das Stichwort liefern, etwas über die sich ändernden Zeiten zu sagen.

Dies kommt noch mehr zur Geltung im Essay (oder besser noch: in einer essayistischen Erzählung) von László Végel, einem sehr prominenten Schriftsteller aus den Reihen der ungarischen Nationalminderheit. Es ist eine sehr facettenreiche Geschichte über die Bekanntschaft mit einem Wiener, dessen Großvater 1944 aus Neusatz geflohen ist. In die Erzählung über eine Suche nach den eigenen Wurzeln sind Betrachtungen über die Stadt, ihre Bewohner unterschiedlicher Nationalität, dahinfließende Zeiten, verschwindende Multiethnizität und vieles mehr eingeflochten. Dabei ist bei Végel der breitere mitteleuropäische Kontext viel präsenter als bei Ózer. Es ist eine intime, aber deswegen nicht weniger passende Auseinandersetzung mit der Stadt und ihrer Geschichte. Das Essay ist sehr nostalgisch angehaucht, beweist aber, dass jeder Stadtbewohner und jeder Stadtbesucher das Recht auf seine eigene Sicht auf die Stadt hat.

Eine Zeittafel, ein Stadtplan, ein Literaturverzeichnis, die Register und der Bildnachweis runden den Band ab (S. 169–176).

Das Buch von Ágnes Ózer ist eine gute Überblicksdarstellung, ja eine Art „Neusatz für Anfänger“. Auf wenigen Seiten werden alle wichtigen Aspekte der Stadtgeschichte angesprochen. Die Schilderung schwankt zwischen chronologisch und thematisch, obwohl es scheint, dass hie und da ein paar Sätze als Bindeglieder zwischen Absätzen fehlen. Außerdem kann man beanstanden, dass einige serbische Namen in ungarischer Schreibweise wiedergegeben sind. Auf Seite 105 wurden sogar die Namen der drei griechischen frühchristlichen Heiligen halb-ungarisch und halb-serbisch (sic!) aufgeführt. Es ist zu hoffen, dass man solche Schönheitsfehler in der zweiten Ausgabe beseitigen wird. Auch wäre es hilfreich, wenn neben den zahlreichen historischen Straßen- und Platznamen in Klammern auch die heutigen angegeben wären – wie es an einigen Stellen der Fall ist –, um den interessierten Lesern die Orientierung vor Ort zu erleichtern. Das Bildmaterial ist höchst lobenswert. Im Ganzen ist das Buch sehr gut gelungen.

 

Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 1 (2024), Jg. 19, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 135-137.