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Anton Holzer, Edit Király, Christoph Leitgeb, Olivia Spiridon: Der montierte Fluss. Donaunarrative in Text, Film und Fotografie | Rezension

Anton Holzer, Edit Király, Christoph Leitgeb, Olivia Spiridon: Der montierte Fluss. Donaunarrative in Text, Film und Fotografie. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2023. 220 S. 

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Von Danica Trifunjagić 

 

Der vorliegende Band stellt das erste Ergebnis des D-A-CH Projektes „Die Donau lesen. (Trans-)Nationale Narrative im 20. und 21. Jahrhundert“ dar, das vom FWF und der DFG gefördert und in Kooperation zwischen dem Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen durchgeführt wird. Der Band, der in der Schriftenreihe des IdGL erschienen ist, enthält insgesamt zehn Beiträge. Der erste Eindruck des Buches ist die etwas ungewöhnliche Entscheidung, zehn Beiträge in sechs Kapitel aufzuteilen. Diese Besonderheit soll jedoch den Leser auf das Thema lenken, um das herum die Autoren ihre Analysen erstellt haben – den montierten Fluss. Wie Christoph Leitgeb im Vorwort erklärt, sollen die Beiträge eine andere Wahrnehmung der Donau beleuchten, die sie nicht als natürlichen, kontinuierlichen Fluss und Strom zeigt. Der Fluss stellt ein konstruiertes Motiv dar, mit einer Fülle von Grenzen, Brüchen und Schnitten, die in einer „Montage“ etwas Zusammengesetztes ergeben, das dann in unterschiedlichen Medien wie literarischen Texten, Filmen und Fotografien analysiert wird. Der Band ist daher als eine zusammenfassende Betrachtung von Fragmenten zu lesen und in viele Kapitel unterteilt, um den fragmentarischen Charakter zu betonen. Leitgeb kommentiert die folgenden Kapitel und Aufsätze und stellt sie, wie in solchen Bänden üblich, in wenigen Sätzen vor.

Das erste Kapitel, „Der Fluss als Natur und Maschine“, besteht aus nur einem Beitrag: „Der industrialisierte Fluss: Umwelthistorische Narrative zur Donau“ von Martin Schmid zeigt, wie sich unterschiedliche historische und gesellschaftliche Darstellungen der Donau auf den ökologischen Zustand des Flusses auswirken. Zu Beginn seines Aufsatzes zitiert Schmid Ellen Wohl, die für ihre Arbeiten zum Einfluss des Menschen auf Flussökosysteme bekannt ist, mit der Feststellung, dass die Donau ein „kranker Fluss Europas“ sei. (S. 17) Er argumentiert, dass die Geschichte eines Flusses eine gemeinsame Geschichte von Natur und Gesellschaft sei, und fährt fort, über die „Industrialisierung“ der Flüsse zu schreiben, die im 19. Jahrhundert begonnen und zu einer Neugestaltung der Flusslandschaft geführt habe. Der Autor schlägt zwei verschiedene Erzählungen der Umweltgeschichte vor, die er am Beispiel der Donau analysiert: die eine, die er „gutartige Modernisierung“ nennt, und die andere, „Erzählung des Niedergangs und der Katastrophe“, die beide Erzählungen über den Gegensatz zwischen Natur und Kultur schaffen, aber aus unterschiedlichen Perspektiven.

Das zweite Kapitel, „Landschafts- und Bühnenbilder“, besteht aus zwei Beiträgen, die sich mit der Fotografie befassen, einer von Éva Fisli, der andere von Anton Holzer. In ihrem Beitrag „Mensch und Fluss: Fotografien der Donau 1840–1940“ taucht Fisli durch die Sammlung des Ungarischen Historischen Fotoarchivs in die Vergangenheit ein und stellt uns die älteste existierende Aufnahme der Donau vom 29. Dezember 1840 vor. Sie dokumentiert in ihrem Beitrag mehrere wichtige Begriffe: die Entwicklung der technischen Elemente, die zu einer unterschiedlichen Verwendung der Fotos führten, den Unterschied zwischen Amateuraufnahmen und solchen, die für ein breiteres Publikum gemacht wurden, und die Erzählungen über die Donau, die in diesen Fotos zu finden sind. Dieser spannende Beitrag bietet einen Einblick in die Geschichte der Fotografie durch die Linse eines der wichtigsten europäischen Flüsse.

Im Beitrag „Der Fluss als Bühne: Die Konstruktion der Donau im Medium der Bildpostkarten“ wirft Anton Holzer folgende Frage auf: „Wie fotografiert man einen Fluss?“ (S. 57), und sucht die Antwort in den illustrierten Postkarten der Jahrhundertwende um 1900. Holzer schreibt über die „Flut der Postkarten“, die verschiedene Landschaften darstellten und um diese Zeit sehr populär wurden. Er beschreibt Techniken, mit denen das ursprüngliche Foto verändert wurde, sei es, um die Farben zu betonen oder eine Vielzahl von Elementen hinzuzufügen, von Menschen über Boote und Autos bis hin zu Luftballons, die später als Collage funktionieren sollten. Holzers Beitrag könnte als zweiter Teil der Geschichte der Fotografie am Beispiel der Donau gelesen werden.

In den beiden Beiträgen des dritten Kapitels, „Rollen im Film, Schicksal im Fluss“, stellen Olivia Spiridon und Ingeborg Bratoeva das Motiv der Donau in Filmen, die sich um Donauschwaben drehen, beziehungsweise das bulgarische Kino vor. Spiridons Beitrag „Migrationen und Mischungen: Die Donau in Filmen über Donauschwaben“ verfolgt die Geschichte der Filme über die donauschwäbische Gemeinschaft, beginnend mit dem ersten Film von 1923, der die Identität der deutschen Minderheit feierte und die „Stationen des donauschwäbischen Identitätsnarrativs“ (S. 84) erläuterte. Sie verfolgt die Filme über die donauschwäbische Gemeinschaft bis in die Gegenwart, wobei sie die Entwicklung der für die Gemeinschaft typischen Motive erörtert, unter denen die Donau eine Konstante ist. Im zweiten filmbezogenen Beitrag, „Die Donau als narrativer Raum in Filmen von Stanimir Trifonov“, legt Ingeborg Bratoeva den Akzent auf die Darstellung der Donau in zwei Filmen von Trifonov: Izpepeljavane [Einäscherung] (2004) und Blajeniyat [Der Gesegnete] (2021). Im ersten Film thematisiert der Regisseur die kommunistische Vergangenheit in Bulgarien, in der die Donau das Schicksal der Menschen teilt. Im zweiten Film gibt er der Donau eine noch bedeutendere Rolle. Sie ist ein Ort entscheidender Ereignisse in der Fabel, aber auch eine symbolische Brücke zwischen Wien und Russland, eine Verbindung zu Europa.

„Flussgedichte und Treibgut“ verbindet zwei Beiträge, die sich mit dem Motiv der Donau in der Dichtung auseinandersetzen. In dem Beitrag „Die Donau in jugoslawischer ,Parteipoesie‘. Tageszeitungen in der Vojvodina nach dem Zweiten Weltkrieg“ analysiert Branko Ranković Texte in der Tageszeitung Slobodna Vojvodina (nach 1953: Novosadski Dnevnik) aus der Zeit zwischen 1945 und 1965. Ranković zeigt, wie der Fluss in Erzählungen einbezogen wird, deren Ziel es ist, das kommunistische Regime zu fördern. Die Rolle der Donau ist jedoch vielfältig – sie kann mehrere unterschiedliche Vorstellungen repräsentieren, die oft im Gegensatz zueinander stehen, so dass es schwierig erscheint, von einer einheitlichen Darstellung des Flusses zu sprechen. Der gemeinsame Nenner scheint das kommunistische Regime und damit die regierende Partei zu sein. Edit Király wählt in „Die Karriere einer Melonenschale. Ein Attila-Józef-Motiv und sein Nachleben“ einen eher ungewöhnlichen Zugang zur Donau und schreibt über das Motiv des Mülls und der Verschmutzung am Beispiel von Attila Józefs Gedicht An der Donau (1936). Király versteht die „Melonenschale“, den Müll, als Teil der Assemblage, die die Zufälle widerspiegelt, die die eigene Identität und das eigene Erbe konstruieren.

Über die Donau als Prosa-Motiv schreiben Jozef Tancer und Christoph Leitgeb im Kapitel „Der Strom des Erzählens“. In Tancers Beitrag „Vom Strom der Worte und Geschichten. Ján Rozners Výlet na Devín“ wird die Donau als Grenze und Hintergrund für die Verbindung von historischen Ereignissen und Privatleben dargestellt. Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Erzählung Výlet na Devín [Der Ausflug nach Theben] aus dem Jahr 2011. Rozners Ich-Erzähler fährt täglich auf der Donau von Bratislava nach Devín, was Tancer als Metapher für das Schwimmen oder Fließen gegen den Strom in dreifacher Hinsicht – geografisch, zeitlich und ideologisch – versteht, die er dann als Begriffe der Bewegung, des Erinnerns und des Erzählens analysiert. Tancer kommt zu dem Schluss, dass die Donau eine Gegenwelt darstelle, weit entfernt von den politischen und historischen Begriffen am Ufer.

Leitgebs Thema „Péter Nádas und der Fluss der Geschichte“ untersucht die Bedeutung der Metapher des Flusses im Kontext von Geschichte und individuellen Erfahrungen. Die Fabel von Nádas’ Roman spielt in Budapest und zahlreiche entscheidende Ereignisse ereignen sich in unmittelbarer Nähe der Donau. Leitgeb schlussfolgert, dass die Flussmetapher parallele Handlungsstränge mit einer philosophischen Diskussion über die Geschichte sowie die Autobiografie des Autors verbinde.

Der letzte Beitrag in diesem Band, Ferenc Vinczes „Donau-Inseln als Erinnerungsorte: Die Funktion der Insel in den Landschafts- und Erinnerungskonstruktionen zeitgenössischer Texte“, ist der einzige im letzten Kapitel „Inseln im Fluss, Inseln der Imagination“. In der Einleitung behauptet Vincze, die Donau könne als ein Fluss von Texten verstanden werden, so dass ihre Landschaft aus verschiedenen Erzählperspektiven betrachtet werden könne. Anstatt sich auf die Motive der Grenze und der Donaubrücke zu konzentrieren, die in der Literatur eine Konstante darstellen, wählt er die Analyse des Motivs der Insel in zwei Texten: Balázs Szálingers Al-dunai álom [Traum von der Unteren Donau] und Claudiu M. Florians Vârstele jocului. Strada Cetăţii [Zweieinhalb Störche. Roman einer Kindheit in Siebenbürgen] mit der Hypothese, dass die Insel als Auslöser für Erinnerungen diene. Vincze untersucht die Donauinseln als multikulturellen Raum und als Kreuzungspunkt der Kulturen.

Der Band hat es tatsächlich geschafft, die Donau als Assemblage, als Montage, durch verschiedene Medien darzustellen. In den Beiträgen werden die Erzählungen über die Donau synchron und diachron analysiert, wobei stets verschiedene Begriffe und Motive in den Mittelpunkt gerückt und oft in einen soziopolitischen Kontext gestellt werden. Meiner Meinung nach ist der größte Wert des Bandes Der montierte Fluss. Donaunarrative in Text, Film und Fotografie der Korpus, für den sich die Autoren entschieden haben. Die weniger bekannten, oft mikroskopisch kleinen Beispiele bieten eine Vielfalt von Interpretationen der Rolle, die die Donau in verschiedenen europäischen Gesellschaften spielt.

 

Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 1 (2024), Jg. 19, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 115-118.