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Einleitung: Kontaktzonen literarischer Übersetzung

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Spätestens seit dem translational turn, der in den 1980er-Jahren einsetzte, ist die Um orientierung der Übersetzungswissenschaft als Kulturwissenschaft und ihre Neubewertung im Gange.[1] Statt des theoretischen Paradigmenwechsels, der in der Fachliteratur ausführlich thematisiert worden ist,[2] steht im Fokus des vorliegenden Heftes die Praxis der literarischen Übersetzung als Kulturtechnik. Die drei wissenschaftlichen Beiträge heben das Thema aus dem linguistisch-textlichen Paradigma heraus und untersuchen Übersetzungen als wichtige Formen des Kontakts zwischen unterschiedlichen ostmittel- und südosteuropäischen Literaturen und dem deutschsprachigen Raum.

Der Aufsatz von Krisztina Busa (Regensburg) schildert den Weg einer »kleinen« Literatur über Übersetzungen auf den deutschen Buchmarkt. Sie fragt nach den literarischen Faktoren, den begünstigenden strukturellen Voraussetzungen, die zum Erfolg ungarischer Autoren in Deutschland und in ganz Europa beigetragen haben, sowie nach den Rückwirkungen der Übertragungen auf die Rezeption im Heimatland. Der Beitrag von Amalija Maček und Tanja Žigon (Laibach/Ljubljana) geht auf die Relevanz des politischen Faktors ein und setzt sich mit der Geschichte der Übersetzungen aus dem Deutschen ins Slowenische auseinander. Die Autorinnen stellen die ersten Ergebnisse eines langjährigen translationssoziologischen Projektes vor, das den Wandel des untersuchten Marktes auch statistisch erfasst.

Kati Brunner (Czernowitz/Tscherniwzi) beleuchtet das Thema aus der in der Fachliteratur verbreiteten Perspektive der Kultur als Übersetzung. Der Beitrag deutet Übersetzung einerseits als Artikulation im kulturwissenschaftlichen Sinn, andererseits als transkulturelle Übertragung und untersucht die Werke der bukowinischen Schriftstellerin Olga Kobylanska, die zwischen deutschem und ukrainischem literarischem Feld vermittelte, jenseits nationalliterarischer Zuschreibungen.

Die wissenschaftlichen Analysen ergänzt die Rubrik Übersetzen in der Praxis, in der erfahrene Übersetzer wie Jurko Prochasko (Lemberg/Lwiw), Georg Aescht (Bonn) und Nora Iuga (Bukarest/București) aus den Übertragungs-Werkstätten berichten oder sich essayistisch äußern. Es konturiert sich u. a. das Profil der Übersetzerin/des Übersetzers als Kulturmanagerin/Kulturmanager oder kreative Mitschreiberin/kreativer Mitschreiber am Text. Enikő Szenkovics (Klausenburg/Cluj-Napoca) schildert den Werdegang einer Übersetzerin, die sich der Übertragung rumäniendeutscher und rumänischer Literatur ins Ungarische verschrieben hat.

Überdies wird in zwei Werkstattberichten die literarische Übersetzung als Experiment vor Augen geführt. William Hayter (Wellington) zeigt dies am Beispiel von Gedichten Manfred Winklers, die er aus dem Deutschen ins Englische übertragen hat; einige Texte entstammen dem im ikgs aufbewahrten Nachlass des Autors. Cosmin Dragoste (Craiova) vergleicht mit Blick auf den Dichter und Übersetzer Ştefan Octavian Iosif rumänische Übersetzungen klassischer deutscher Gedichte.

Durch die Mischung von wissenschaftlicher Analyse und Praxis hofft die Redaktion, zu den Diskussionen über die übersetzerische Kulturvermittlung nicht nur informativ, sondern auch inspirierend beizutragen.

Enikő Dácz

Erfahren Sie hier mehr über dieses Heft.

 

Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 1 (2017), Jg. 12 (66), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 9–10.

 

[1] Siehe einleitend zum Thema: Doris Bachmann-Medick: Translational Turn. In: dies.: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg 2014, S. 239–285.

[2] Siehe u. a. Mary Snell-Hornby: The Turns of Translation Studies. New Paradigms or Shifting Viewpoints? Amsterdam 2006; Lawrence Venuti: The Translations Studies Reader. Rev. Edition. London, New York 2012. 

 

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