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Einleitung: Transnationale Karpaten (II)

Unser Heft 1.21 widmete sich der interdisziplinären Erschließung der Karpaten[1], die in der vorliegenden Ausgabe fortgesetzt wird. Ziel der Herausgeberinnen, als sie den zweisprachigen Call for Papers starteten, war es, die Vielfalt der Karpaten-Narrative sowie der wissenschaftlichen Zugänge zu zeigen. In diesem Sinn wurde bei der Auswahl der zahlreich eingegangenen Vorschläge, aufgrund derer statt des ursprünglich geplanten Einzelheftes zwei entstanden, darauf geachtet, dass einerseits aktuelle Debatten, andererseits neue Forschungsfelder in den Fokus rücken.

Wie das vorangehende Heft befragt auch das vorliegende, auf den Raumdiskursen nach dem Spatial Turn aufbauend, die Karpaten-Narrative nach ihrer Funktion in ethnischen, nationalen und imperialen Identifikationsprozessen, diesmal im späten 19. Jahrhundert beginnend.

Corinne Geering (Leipzig) lenkt die Aufmerksamkeit auf die Begegnungen der Karpaten-Reisenden mit den Bewohnern und Bewohnerinnen der Region, die in historischen Untersuchungen über ihre Rolle als Tourismus- und Skipioniere hinaus wenig Beachtung fanden. Ihre Analyse erfolgt vor dem Hintergrund zeitgenössischer deutschsprachiger kolonialer und orientalischer Diskurse und weist auf Gemeinsamkeiten mit Beschreibungen außereuropäischer Expeditionen hin.

Raluca Cernahoschi (Maine) knüpft thematisch teilweise an James Koranyis Artikel aus dem Heft 1.21 an, indem sie die Betrachtung der Karpaten-Diskurse in der rumänischen Prosa der Zwischenkriegszeit mit der bereits von Koranyi erwähnten Bucura Dumbravă beginnt. Am Beispiel von Dumbravă, Emanoil Bucuța und Mihail Sebastian wird ein alternativer Karpaten-Diskurs zum gängigen nationalen Narrativ der Berge als Geburtsort der rumänischen Seele analysiert.

Jonathan Parkers (Texas) Untersuchung literarischer, journalistischer und filmischer Texte von Ivan Olbracht lenkt den Blick auf die Karpato-Ukraine als koloniales Konstrukt in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit. Daran anknüpfend gilt auch Irene Sywenkys (Alberta) Interesse nicht-fiktionalen Texten: Sie untersucht repräsentative polnische und ukrainische Werke, die zum symbolischen geopolitischen Neudenken des postsozialistischen Raumes in Zentraleuropa beigetragen haben. Ihr Beitrag fragt nach den kartografischen Imagiantionen bei Andrzej Stasiuk, Iurii Andrukhovych und Taras Prohas’ko.

Den Themenschwerpunkt ergänzt diesmal die Rubrik »Quelle« mit einem Blick ins Archiv des IKGS. Tobias Weger (München) stellt nach Überlegungen zur fotografischen Ikonografie der Karpaten ausgewählte Schätze aus den Beständen des IKGS vor, um auf die Sammlung aufmerksam und neugierig zu machen.

Karpaten-Landschaften bleiben auch in den weiteren Rubriken zumindest punktuell bestimmend: In Florian Gassners Aufsatz (Vancouver) zu Eginald Schlattners Roman Das Klavier im Nebel scheinen die Berge im Hintergrund als Referenzpunkt auf. Mónika Dánél (Budapest/Oslo) beleuchtet in ihrem Werkstatt-Beitrag Wanderberge aus der Perspektive des konzeptuellen Medienkünstlers Szabolcs KissPál, der die Karpaten als historisches Konstrukt im Kontext der ungarischen Identitätspolitik reflektiert. Auf die aktuell viel besprochene Methode der künstlerischen Fiktionalisierung, die KissPál mit Vorliebe verwendet, wird im Gespräch mit dem Künstler im Feuilleton näher eingegangen.

Der Literaturteil bereichert das Panorama der transnationalen Karpaten mit den lyrischen Perspektiven von Kristiane Kondrat und Britta Lübbers.

Raluca Cernahoschi und Enikő Dácz

 

[1] Harald Heppner (Hg.): Die Erschließung der Karpaten. Danubiana Carpathica. 8 (55) 2014. München 2015.

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