Hannelore Baier: Leben in der Diktatur. Beiträge zur Geschichte der Rumäniendeutschen 1940–1989. Sibiu: Editura Honterus 2025. 451 S.
Der umfangreiche Band enthält Aufsätze der Autorin, die zwischen 1996 und 2025 zumeist in Rumänien erschienen sind. Hannelore Baier begann als eine der wenigen sofort nach 1990, in Bukarester Archiven Dokumente zur Deportation der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion zu suchen. Die ersten Funde waren begrenzt, aber mit der Zeit wurden weitere Archive (Archiv des Außenministeriums und Archiv des rumänischen Nachrichtendienstes mit Unterlagen aus dem Archiv der ehemaligen Securitate) zugänglich. Letzteres wurde später in das Archiv des Nationalen Rates für die Erforschung des Archivs der ehemaligen Securitate (ACNSAS) umgewandelt. 2006 wurde Frau Baier als Expertin für die deutsche Minderheit in die Präsidentschaftskommission für die Analyse der kommunistischen Diktatur kooptiert und recherchierte dann breiter zur Lage der Deutschen zwischen 1945 und 1989.
Da die 18 Beiträge hier nicht einzeln besprochen werden können, werden die im Lauf der Jahre zusammengetragenen Informationen gebündelt skizziert. Sie werden in die drei Teile gegliedert, wie dies im Buch geschieht. Der erste Teil trägt den Titel „Deportation, Arbeitslager und allgemeine Lage“. Durch das schnelle Vorrücken der Roten Armee wurde in Rumänien am 23. August 1944 Marschall Ion Antonescu gestürzt, der seit 1940 Bündnispartner des Deutschen Reiches gewesen war. Für die Zerstörungen in der Sowjetunion durch den Kriegszug der rumänischen Armee und Wehrmacht bis Stalingrad wurden danach die deutschen Minderheiten verantwortlich gemacht (Kollektivschuld). Stalin befahl am 16. Dezember 1944 nicht nur die Mobilisierung der arbeitsfähigen Deutschen aus Rumänien, sondern auch derjenigen aus Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien und der Tschechoslowakei. Zwischen Dezember 1944 und Januar 1945 wurden insgesamt 112.480 Personen zur Arbeit in die UdSSR gebracht. Den höchsten Anteil stellten mit 69.332 Personen diejenigen aus Rumänien. Es waren 36.590 Männer und 32.742 Frauen, die zumeist bis 1949 beim Wiederaufbau der zerstörten Bergbauindustrie im Donezbecken und der Schwarzmetallurgie im Süden eingesetzt wurden. Etwa zehn Prozent kamen durch Erschöpfung, Hunger und Krankheiten dort um. Rumäniendeutsche, die sich 1945 der Aushebung entzogen hatten, wurden bis 1948 in Rumänien bei unterschiedlichen Arbeiten zwangseingesetzt.
Treibende Kraft zur Entrechtung der Rumäniendeutschen war die kleine Kommunistische Partei. Die im März 1945 eingesetzte Regierung von Petru Groza wollte eine radikale Agrarreform zugunsten von armen Rumänen durchführen und daher wurden die deutschen Bauern unter Druck gesetzt. Ihnen wurden nicht nur die Äcker weggenommen, sondern auch ihre Häuser enteignet; diese wurden Rumänen zugeteilt, die aus anderen Regionen in deutsche Ortschaften zogen. Die deutsche Dorfbevölkerung in Siebenbürgen und dem Banat wurde zu 95 Prozent enteignet und durch dasselbe Agrarreformgesetz auch die evangelische und die katholische Kirche. Die Rumäniendeutschen, die eng mit den Nationalsozialisten aus dem Reich kooperiert hatten, waren größtenteils rechtzeitig geflohen. Die nicht belasteten ehemaligen Sprecher wie der evangelische Bischof Friedrich Müller oder der ehemalige Senator Hans Otto Roth versuchten erfolglos, die Lage der Deutschen zu verbessern.
Auf Anweisung der Kommunistischen Partei hatten einige Linke 1948 das „Deutsche Antifaschistische Komitee“ (DAK) gegründet, das die „Klassendifferenzierung“ vorantreiben sollte. Es wurde nach vierjährigem Bestehen zusammen mit den sogenannten „demokratischen“ Organisationen der anderen „mitwohnenden Nationalitäten“ im März 1953 aufgelöst. Das DAK hatte sich neben ideologischem Drill unter anderem auch für die Eingliederung der Heimkehrer aus der UdSSR eingesetzt und die Rückgabe der enteigneten Häuser gefordert.
Der zweite Teil des Buches trägt den Titel „Im Visier der Securitate“ und verdeutlicht das verzerrte Bild, das die Sicherheitspolizei von der deutschen Minderheit hatte. Sie konstruierte in ihren Berichten eine Kontinuität von der 1940 gebildeten „Deutschen Volksgruppe in Rumänien“ zu den deutschen Verbänden nach 1949, obwohl diese nicht von Nationalsozialisten begründet wurden, sondern auf traditionelle Formen von vor 1940 zurückgriffen. Jugendgruppen in Siebenbürgen wie die Bruder- und Schwesternschaften wurden geheimdienstlich durchsetzt. Persönliche Kontakte zu Personen in der Bundesrepublik Deutschland galten als politische Gefahr für die Entwicklung in Rumänien. Auch der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde wurde beobachtet, besonders weil 1977 einige aus Rumänien ausgewanderte Siebenbürger Sachsen zu seinem Treffen kommen wollten.
Dank eines vom IKGS geförderten Projektes hat Hannelore Baier sich intensiv mit der Überwachung der Evangelischen Kirche (Augsburger Bekenntnis) in Rumänien (EKR) durch die Sicherheitspolizei beschäftigt und 2022 bereits eine Dokumentation publiziert. Da es der Securitate 1953 nicht gelungen war, Bischof Friedrich Müller aus dem Amt zu entfernen, veranlasste sie durch Erpressung Pfarrer und Bezirkskuratoren dazu, Berichte über interne Fragen zu verfassen. Viele Gespräche wurden abgehört, doch Müller konnte durch kluges Taktieren den Schaden für die innerkirchlichen Strukturen geringhalten. Am Fall des Schäßburger Stadtpfarrers und Bezirksdechanten Albert Schaser werden die Wege zur Einflussnahme der Securitate vorgestellt. Er wurde systematisch zwischen 1960 und 1973 unter Druck gesetzt und seine Armenküche für Alte mit geringen Renten als der sozialistischen Gesellschaft widersprechend verboten.
Hannelore Baier durchforstete die 41 Akten der Securitate zur Vorbereitung von politischen Prozessen gegen Deutsche. Hier sollen nur jene über Rudolf Brandsch erwähnt werden, der vierzig Jahre lang ein Sprecher der deutschen Minderheit gewesen war und in der Zwischenkriegszeit 23 Jahre lang Abgeordneter. In der Zeit, als Nationalsozialisten die Führung der Deutschen in Rumänien übernahmen, hatte er sich aus der Politik zurückgezogen. Nach 1947 half er einigen Deutschen, deren Familien in Österreich lebten, bei der Formulierung von Ausreiseanträgen. Sein Kontakt zu einem österreichischen Legationsrat in Bukarest wurde ihm nach der Verhaftung 1952 als „Vaterlandsverrat“ ausgelegt. Als dieses Urteil im November 1953 verhängt wurde, war er bereits im Gefängnis verstorben. 1952 war auch ein anderer wichtiger Sprecher der Deutschen aus der Zwischenkriegszeit verhaftet worden: Der Landeskurator der Evangelischen Kirche Hans Otto Roth starb mit 63 Jahren in Haft.
Der dritte Teil enthält die Arbeitsergebnisse von Hannelore Baier zum Freikauf von Deutschen aus Rumänien durch die Bundesrepublik Deutschland. Nachdem der rumänische Staat bereits einen großen Teil seiner jüdischen Minderheit gegen Kopfgelder nach Israel hatte ausreisen lassen, kam seit den 1950er-Jahren auch die Familienzusammenführung durch Ausreisen in die Bundesrepublik Deutschland in Gang. Zunächst wurden Summen für Einzelpersonen oder Familien ausgehandelt und gezahlt. 1968 kam es zu einem ersten geheimen Abkommen zwischen einem Vertreter der Securitate und dem deutschen Anwalt Heinz-Günther Hüsch. Die Repräsentanten der beiden Staaten vereinbarten große Summen von Devisen gegen eine bestimmte Quote von Aussiedlern. Der Kopfpreis wurde zunächst differenziert nach Ausbildung gezahlt und stieg nach Festlegen von Pauschalen im Schnitt von 4.000 DM im Jahr 1978 auf 7.800 DM im Jahr 1983 und wurde 1988 noch einmal erhöht. Die Erhöhung der Zahl der Ausreisenden erfolgte gegen Lieferung von PKWs oder anderen Gütern sowie ab 1973 gegen Zahlung von vierteljährlichen Zinssubventionen von acht Millionen DM. Auf diesem Weg konnten zwischen 1950 und 1977 bereits zehn Prozent der deutschen Minderheit Rumänien verlassen.
Die mit großer Sachkenntnis verfassten Beiträge machen deutlich, wie viele neue Informationen die Autorin in den Aktenbergen des ACNSAS und weiteren Archiven gefunden hat. Bis 1990 war vieles nur gerüchteweise bekannt, nun wird die Dimension der Verfolgung deutlich. Es wird auch verständlich, warum viele Angehörige der deutschen Minderheit sich in ihrer Heimat so marginalisiert fühlten, dass sie nach 1990 das Land verließen.
Mariana Hausleitner