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Irina Nastasă-Matei, Lucian Nastasă-Kovács: Kultur und Propaganda. Das Rumänische Institut in Berlin (1940–1945) | Rezension

Irina Nastasă-Matei, Lucian Nastasă-Kovács: Kultur und Propaganda. Das Rumänische Institut in Berlin (1940–1945) (Forum: Rumänien, Bd. 49). Übersetzt und herausgegeben von Larisa Schippel. Berlin, Frank & Timme 2023. 506 S. 

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Von Markus Bauer

 

Zwei Zuschreibungen bestimmten das rumänische zeitgenössische Image des 1940 gegründeten und bis 1944/45 funktionierenden Rumänischen Instituts in Berlin: Es sei eine „zur Versorgung der Familienangehörigen auf Staatskosten und unter fürstlichen Bedingungen“ (S. 297) seines Präsidenten Sextil Pușcariu dienende Einrichtung (so der Diktator General Ion Antonescu) und zudem ein „Legionärsnest“. Der erste Eindruck drängte sich denen auf, die die Hintergründe der Verträge des Präsidenten Pușcariu kannten. Er hatte freie Hand bei der Einstellung des Personals und nutzte dies dazu, seinen Schwiegersohn Grigore Manoilescu als geschäftsführenden Direktor, seine Tochter Lia als Lektorin, seinen alten Freund aus Czernowitzer (ukr. Чернівці, rum. Cernăuți) Tagen, den Juristen Maximilian Hacman, als Generalsekretär einzustellen. „Fürstliche Bedingungen“ bedeuteten, dass Pușcariu anfangs mehr oder minder ohne Einspruch über das Budget des Instituts verfügte und entsprechend seine und seiner Familie Ausstattung großzügig bemaß. Zahlreiche opulente Empfänge fielen zwar durchaus in die für die Funktion des Instituts wichtige „Kontaktpflege“ im diplomatisch-politischen und akademischen Bereich, wichtiger für dieses Image der Selbstbedienung aber war der Hintergrund seiner weiterhin bestehenden Anstellungen als Professor der nach Hermannstadt (rum. Sibiu) verlegten Universität Klausenburg (rum. Cluj-Napoca), als Direktor des Museums der Rumänischen Sprache sowie als Mitglied der Rumänischen Akademie der Wissenschaften – alles unter Beibehaltung der vollen Bezüge. (S. 96) Ausgehandelt hatte der umtriebige Professor diese Konditionen für sein Präsidentenamt mit dem seinerzeitigen Außenminister und Chef des Propagandawesens Mihail Manoilescu, dem Bruder seines als Direktor des Instituts amtierenden Schwiegersohns!

Als „Legionärsnest“ galt das Berliner Institut, weil es seinen Anfang nahm in der historischen Epoche der Abdankung König Carols II. und folgender „Legionärsregierung“ unter Ion Antonescu mit anschließender Rebellion der Legionäre (1940/41) und damit auch in die unterschiedlichen Konfliktlagen dieser Entwicklung geriet. Jedenfalls gerierten sich der Präsident, der Direktor und fast alle Angehörigen des Instituts als mehr oder minder prononcierte Anhänger der extrem nationalistischen und antisemitischen rumänischen Variante der faschistischen Bewegung, die nach der Abdankung Carols II. an der Regierung Ion Antonescus mitwirkte und im Januar 1941 durch eine niedergeschlagene Rebellion (und ein damit einhergehendes Pogrom) die ganze Macht zu erreichen suchte. Wichtig wurde in diesem Spannungsfeld also auch, zu welcher Fraktion der Legionäre man gehörte – solche, die für Antonescu oder gegen ihn waren. Nach der Niederschlagung der Legionärsrebellion verfügte Antonescu, dass Pușcarius Schwiegersohn als exponierter Anhänger der Eisernen Garde aus dem Institut an die Ostfront entlassen wurde. (Der notorische Legionär zog es vor, sich im Berliner Institut zu verstecken und weiteren Gestellungsbefehlen zu entgehen.)

Dass sich hinter diesem nicht ganz unzutreffenden doppelten Image des Rumänischen Instituts seinerzeit durchaus ernst zu nehmende politische und kulturelle Konstellationen ausmachen lassen, belegt der vorliegende, in einen Darstellungs- und einen Dokumententeil aufgeteilte Band auf gründliche und überzeugende Weise, wenn auch seine deutschsprachige Erscheinungsgestalt eher fragwürdig ist. Zunächst ist Thema des ersten Teils (S. 7–192) die umfangreiche Analyse der rumänischen Außenkulturpolitik, in der das Autorenduo mit erfreulich weiter Horizonterkundung die Spannung von französischer und deutscher Ausrichtung der Kultur in Rumänien seit dem 19. Jahrhundert darlegt, um zugleich die Entstehung von Presse- und später Propagandaabteilungen in Botschaften und Ministerien plausibel zu machen. Die konzise und zugleich ausholende Darstellung profitiert von ihren intensiven bisher vorgelegten Forschungsarbeiten (Nastasă-Kovács war Koordinator und Mitherausgeber der Reihe Minorității etnoculturale und publizierte über die Soziologie der Intellektuellen, Nastasă-Matei promovierte über rumänische Studierende in Nazi-Deutschland und publizierte zahlreiche Aufsätze hierzu). Auf dieser Basis entsteht ein eingehender und nuancenreicher Überblick der institutionellen und vor allem auch biografischen Verflechtungen der Akteure im nach 1919 sich neu bildenden Feld der rumänischen Kulturdiplomatie. Ihre Zentren waren die beiden rumänischen „Schulen“ in Paris (Fontenay-en-Roses) und Rom. Mit der krisenhaften Entwicklung der 1930er-Jahre und dem Aufkommen von Propagandaabteilungen gewann die Idee eines anders als diese „Schulen“ orientierten Rumänischen Instituts in Berlin an Bedeutung: Es wurde als Pendant zur Gründung des Wissenschaftlichen Instituts unter Ernst Gamillscheg in Bukarest gedacht, das die Autoren ausführlich darstellen. Der Promoter des Berliner Rumänischen Instituts war der umtriebige, extrem gut vernetzte Sprachwissenschaftler, Professor, Universitätsrektor, Historiker, Akademiemitglied Sextil Pușcariu, der noch in der k. u. k.-Monarchie in Czernowitz, Wien und Leipzig ausgebildet worden war und in Czernowitz ein dicht gespanntes Netz von persönlichen Beziehungen mit professionellen und institutionellen Aufgaben verbunden hatte, das sich bis in das Institut in Berlin erstrecken sollte. So blieben an seinen früheren beziehungsweise parallelen Wirkungsorten wie der infolge des Wiener Schiedsspruchs 1940 nach Hermannstadt evakuierten Universität Klausenburg zahlreiche seiner näheren oder ferneren Verwandten und Freunde in Ämtern.

Der Schiedsspruch, der 1940 Ungarn Nordsiebenbürgen zusprach und zur Abdankung von Carol II. führte, legte auch ein zentrales Motiv für die propagandistische Gründung des Berliner Instituts offen: Es galt vor allem, die als erfolgreich angesehene ungarische Außenkulturpolitik in Hitler-Deutschland zu konterkarieren. Vielfach ist in den in der zweiten Hälfte des Bandes abgedruckten Dokumenten von „den Feinden“ die Rede, gegen die es sich zu behaupten gelte. Damit ist vor allem Ungarn, aber auch Bulgarien gemeint, die territorial durch den zweiten Schiedsspruch 1940 auf Kosten von „România Mare“ vergrößert worden waren. „Die nützlichste Propaganda wird vom Institut gemacht, indem es aktiv an allen Veranstaltungen teilnimmt, bei denen unsere Anwesenheit notwendig ist. Es ist das erste Mal, dass Rumänien bei all diesen Treffen, zu denen unsere Feinde immer zahlreiche und hervorragende Vertreter entsandt haben, nicht mehr fehlt. Sie benutzen diese Gelegenheit in unserer Abwesenheit immer, um Propaganda gegen uns zu machen“, (S. 332) schreibt Pușcariu 1941 an den Minister für Propaganda, um die Bedeutung des Instituts und seine Tätigkeiten hervorzuheben. Zwar musste sich Pușcariu nach einem Zuständigkeitswechsel vom Außen- zum Propagandaministerium mit einer geringeren finanziellen Ausstattung und einer überprüfbaren Rechnungslegung zufriedengeben, aber die Einflussnahme auf die kontrollierte Öffentlichkeit in Nazi-Deutschland scheint durchaus Früchte getragen zu haben. Als einen seiner Erfolge betrachtete zum Beispiel das Institut den Einfluss auf den Leipziger Südosteuropahistoriker Georg Stadtmüller, der in seiner angenommenen Rumänienfeindlichkeit gezügelt worden sei.

Eine der Hauptaufgaben des Instituts bestand zudem in der Vermittlung von Lektoren und der Überwachung der rumänischen Studierenden in Nazi-Deutschland. Die Sorge der rumänischen Institutionen um die Studierenden bezog sich insbesondere auf ihre möglichen Legionärsaktivitäten und -ausrichtung. Sie standen auch unter Überwachung deutscher Stellen, und es wird suggeriert, dass auch im Rumänischen Institut einige Angestellte sich am Geschäft mit Informationen beteiligten. Pușcariu bemühte sich vergeblich, Emil Cioran, früherer Humboldt-Stipendiat und nun Kulturrat in Frankreich, als Lektor zu gewinnen. Am Institut arbeitete bereits als Referent der junge Constantin Noica, Philosoph mit dezidierter Neigung zur Legionärsideologie, und seine englische Ehefrau Kathleen als Sekretärin. Insbesondere in den biografischen Verflechtungen kann der Band das zeitweilige Funktionieren dieses Instituts wie auch das Scheitern in den Bombenhageln des Zweiten Weltkriegs detailliert darstellen. Es gelingt, einen nicht unbedeutenden Aspekt der kulturellen Kommunikation der beiden Diktaturen ausführlich vorzustellen, so dass sich durchaus auch über die historische Situation hinaus Hinweise auf strukturelle Merkmale von Propaganda im Ausland und ausländische Kulturpolitik ergeben.

So erfreulich diese wissenschaftliche Aufarbeitung der rumänischen kulturellen Propaganda in Berlin während des Zweiten Weltkriegs ist, so kann dies nicht von der übersetzten Präsentation dieser Studie gesagt werden. Eine Reihe von Druckfehlern mindert das Lesevergnügen; so taucht der Name eines Anwalts in drei unterschiedlichen Formen auf. (S. 176) Entscheidend sind vor allem im ersten Teil Übersetzungsschwächen wie etwa die grammatikalisch unbewältigte Reihung von Satzteilen. Im dokumentarischen Teil mit den aus dem Original ausgewählten Dokumenten wird dann deutlich, dass auch die Sorgfalt für die Präsentation des Textes stark vernachlässigt wurde: Neben Druckfehlern häuft sich die Weglassung von Anmerkungszahlen oder es tauchen solche ohne entsprechenden Anmerkungstext auf und wiederholt unterbricht der rumänische Originaltitel völlig unvermittelt den deutschen Text. Fast drängt sich der Eindruck auf, dass hier eine nicht gänzlich redigierte Vorstufe zum Abdruck gelangt sei – was angesichts des Themas und der erkennbaren wissenschaftlichen Leistung nur bedauert werden kann.

 

Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 1 (2024), Jg. 19, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 127-129.