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Projizierte Wildnis. Das Donaudelta in Fotobüchern des 20. und 21. Jahrhunderts

Von Anton Holzer

Wer einmal eine detaillierte Flusskarte der Donau aus der Zeit vor der Mitte des 19. Jahrhunderts vor Augen hatte, weiß, dass der von zwei parallelen Ufern gesäumte Flusslauf eher die Ausnahme als die Regel war. Vor der Ära der großen Flussregulierungsarbeiten, die Ende des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichten, bestand die Donau über weite Strecken aus einem weitläufigen, sich infolge von Überschwemmungen immer wieder verändernden Netzwerk an Haupt- und Nebenarmen. Von diesem mäandrierenden Flusslauf ist heute – bis auf einige geschützte Augebiete – nur mehr wenig übriggeblieben. Die Donau ist, im Interesse der Schifffahrt und des Hochwasserschutzes, fast durchgängig reguliert.

Auch das Mündungsgebiet der Donau wurde seit dem späten 19. Jahrhundert mittels groß angelegter Flussbauarbeiten für die Schifffahrt zugänglich gemacht. Größere Teile der Sumpfgebiete wurden nach der Mitte des 20. Jahrhunderts trockengelegt und landwirtschaftlich genutzt. Und dennoch: Das Delta vermittelt, neben einigen Au- und Sumpfgebieten entlang der Donau, immer noch eine Ahnung vom ehemals weit ausufernden Flusslauf, der von weitläufigen Aulandschaften und Sumpfgebieten gesäumt war. Das nach dem Mündungsgebiet der Wolga zweitgrößte Flussdelta Europas und zugleich das größte Feuchtgebiet des Kontinents umfasst knapp 6.000 Quadratkilometer, der Großteil davon ist eine spärlich bewohnte Naturlandschaft. Der größte Teil der Fläche liegt heute in Rumänien, ein kleinerer Teil auf ukrainischem Territorium. Das weitläufige Mündungsgebiet wird von drei großen Kanälen durchflossen, im Norden durch den Kilija-Arm, der zugleich die rumänisch-ukrainische Grenze bildet, in der Mitte durch den Sulina-Arm und im Süden durch den Sfântu-Gheorghe-Arm. Zwischen diesen Mündungsarmen liegen zahlreiche Nebenarme, Kanäle und Seen, aber auch Inseln, ausgedehnte Schilf- und Sumpfgebiete, Wälder und Wiesen.[1] 72 Prozent des Donau-Mündungsgebietes stehen heute unter Naturschutz.[2]

Das öffentliche Bild des Deltas ist seit etwa drei Jahrzehnten sehr stark vom ökologischen Diskurs geprägt. Das Mündungsgebiet der Donau wird in der Außendarstellung oft als unberührte, entrückte Naturlandschaft präsentiert, die als touristisches Ziel eine große Zukunft habe. Übersehen wird dabei, dass sich hinter und neben den Bildern des schützenswerten, weil bedrohten Naturraums auch andere Delta-Bilder verbergen. Die politischen und gesellschaftlichen Anregungen für die Um- und Neudeutung dieses Naturraums kamen im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Mündungsgebiet, teilweise aber auch die Untere Donau insgesamt, häufig exotisiert und als heterotopische Enklave inszeniert. In der kommunistischen Nachkriegszeit erfolgte dann ein weiterer Schwenk, der das Delta einerseits als beispielhaftes Entwicklungs-und Modernisierungsgebiet in den sozialistischen politischen Diskurs integrierte, andererseits aber Elemente der Wildnis als Gegenentwurf zur rasanten Modernisierung kultivierte. In der sozialistischen Ära wurde das Delta sehr stark als rumänische Nationallandschaft kodiert. Nach 1989 wurde das sozialistische Erbe weitgehend entsorgt, die nationale Deutung des Deltas wurde teilweise übernommen und mit einer neuen ökologischen Ausrichtung dieser Naturlandschaft gekoppelt. Die europäische Euphorie gegenüber dem Delta ist in den letzten Jahren allerdings weitgehend verschwunden, das Delta wurde aus westeuropäischer Sicht zur vergessenen europäischen Randgegend, oft auch zu einer Art „lost paradise“, die in Form einer Negativfolie zur Projektionsfläche der gesamteuropäischen Entwicklung wurde. Der Titel eines Zeitungsbeitrags über die Korruption am Beispiel des Donaudeltas lautet: „Im Sumpf“.[3] Er bringt diese Akzentverschiebung bildstark zum Ausdruck.

Im folgenden Beitrag werde ich die Wahrnehmungsgeschichte des Donaudeltas im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert im Spiegel von Fotobildbänden analysieren. Dabei möchte ich zeigen, wie und warum sich die fotografische Darstellung der Naturlandschaft im Mündungsgebiet der Donau sukzessive verschob und welche Rolle Fotobücher bei der visuellen Neuausrichtung der Landschaftsdiskurse spielten. In meinen Analysen möchte ich der Frage nachgehen, wie das gedruckte Medium Fotografe die tiefgreifenden gesellschaftlichen und politischen Kontextwechsel verarbeitete und beförderte. Dabei sollen am Beispiel ausgewählter Bände die unterschiedlichen narrativen Strategien herausgearbeitet werden, die das Mündungsgebiet des Flusses als Naturraum, aber auch als gesellschaftliche oder ökologische Heterotopie darstellten. Umgekehrt wird diese Analyse auch Rückschlüsse auf jene gesellschaftspolitischen Diskurse ermöglichen, in die die Bilder des Deltas eingebettet sind.

Ausführlicher vorgestellt wird ein Buch, das die bildlichen Narrative des Deltas entscheidend geprägt hat: der 1967 in mehreren Sprachen erschienene Bildband des rumänischen Fotografen Dan Grigorescu „Im Donaudelta“ (Abb. 1). Dieses künstlerische Fotobuch nimmt aufgrund seiner anspruchsvollen grafischen und fotografischen Gestaltung und seiner komplexen Bildsprache nicht nur innerhalb der Fotoliteratur über das Delta und die Donau insgesamt eine herausragende Stellung ein, sondern stellt auch im internationalen Fotodiskurs der Nachkriegszeit einen wenig bekannten Meilenstein dar. Da der Bildband „Im Donaudelta“ in der internationalen Foto- und Fotobuchforschung noch nie eingehender analysiert wurde, wird die Publikation hier nicht nur unter dokumentarischen Aspekten behandelt, sondern als fotokünstlerisches Gesamtkunstwerk ausführlich vorgestellt.

Fotobücher und ihre Narrative

Eine wichtige Rolle bei der skizzierten visuellen Neucodierung der Landschaft des Deltas spielte das Fotobuch, ein Medium, das sich seit der Zwischenkriegszeit großer Beliebtheit erfreute. Fotografisch illustrierte Bücher gab es zwar schon länger, aber seit den 1920er und 30-er Jahren führte der enorme Aufschwung visueller Medien (Film, illustrierte Zeitungen und Magazine, Fotobücher etc.) zu einer rasanten Bedeutungszunahme dieses Medienformats.[4] Fotografisch illustrierte Bände verloren nach dem Ersten Weltkrieg den Nimbus des Elitären und wurden, vermittelt auch durch neue Vermarktungs- und Vertriebsstrukturen, zu auflagenstarken Alltagsprodukten, die – zumindest in West- und Mitteleuropa – für ein breites (in der Regel bürgerliches) Massenpublikum leistbar wurden.

Fotobücher wurden in diesen Jahren auch in ästhetischer Hinsicht weiterentwickelt. Verlage und Autoren konnte dabei auf Errungenschaften anderer visueller Massenmedien, etwa der Zeitungs- und Magazinfotografie, zurückgreifen, die in den 1920er und 30er-Jahren neue visuelle Formate und neue Erzähltechniken und -formen, etwa die Fotoreportage, entwickelt hatten.[5] Etliche dieser narrativen Elemente, die Bilder und Texte auf neuartige Weise verschränkten, fanden Eingang in die Fotobücher, die, je nach Verlagshintergrund und Zielpublikum, unterschiedliche visuell-erzählerische Modelle ausprobierten.

Wenn man Fotobücher nicht nur als Bild- sondern auch als Erzählmedien in den Blick nehmen will, ist es nötig, die Analyse von Einzelbildern mit der Analyse von Bildfolgen zu verknüpfen, die im Zusammenspiel mit den begleitenden Texten und Paratexten wichtige Erzählzusammenhänge etablieren. Mehrere Aspekte spielen in dieser Verschränkung von Bildern und Texten eine zentrale Rolle: zum einen ihre multimediale Verankerung im Medium des Buches und zum anderen, damit zusammenhängend, ihre narrative Funktion. Die Rolle der Fotografie im Fotobuch ist also auf vielfältige Weise mit dem materiellen Rahmen des Buches, seiner Aufmachung, seinem Format, seiner Bindung etc. verbunden. Diese medialen Rahmenbedingungen müssen bei der Analyse des Bildmaterials mitreflektiert werden. Aber auch die narrativen Strategien, die im Folgenden genauer vorgestellt und untersucht werden, entfalten sich nicht im luftleeren Raum, sondern im Raum des Buches. Die Lektüre von Fotobüchern, darauf hat die neuerer Fotobuchforschung dezidiert hingewiesen, ist sehr eng mit haptischen, performativen Dimensionen der Wahrnehmung verbunden. Der narrative Sinn von Fotobüchern erschließt sich nicht zuletzt über den Akt des Blätterns, das Lesen und Schauen verbindet und auf diese Weise die linear-narrative Rezeption aufbricht.[6] Das Blättern als „haptische Manifestation der Bewegung von einer Seite zur nächsten“, das im reinen Textbuch tendenziell unsichtbar ist, erzeugt im Fotobuch, das Bilder, Medium (das Buch) und Text oft auf komplexe Weise miteinander verwebt, bricht die lineare Rezeption auf und öffnet den Blick für (oft überraschende) Gegenüberstellungen, Reihungen, Vor- und Rückverweise, Assoziationen und Bild-Textbezüge.[7]

Jedes Buch, das ein Mindestmaß an Öffentlichkeit erlangt, ist auch in ein Netzwerk gesellschaftspolitischer Diskurse eingespannt. Es erscheint aus bestimmten Gründen in diesem oder jenem Verlag, es zielt auf eine bestimmte regionale, nationale oder internationale Öffentlichkeit, seine Produktion wird von privaten Interessenten, Vereinen, Verbänden oder Organisationen, und gelegentlich auch vom Staat initiiert bzw. gefördert. Nach seinem Erscheinen erfährt das Fotobuch eine größere oder kleinere Resonanz bzw. Kritik. All diese Aspekte fließen in die Rezeption und Bedeutung des Buches ein und haben Einfluss auf dessen öffentliche Wahrnehmung.

Die skizzierte Herangehensweise an das Medium Fotobuch schlägt sich auch in der Präsentation des untersuchten Materials nieder. In diesem Beitrag werden bewusst keine isolierten, aus dem medialen Kontext gerissenen Fotografien gezeigt, sondern, soweit es um Beispiele aus dem Innenteil von Büchern geht, stets Doppelseiten, die das Buch als materielles Medienobjekt sichtbar machen. Auf diese Weise soll insbesondere die dreidimensionale Anmutung des Buches, die materielle Verankerung der Fotografie im Buch, aber auch ihre besondere räumliche Erzählanordnung (etwa im Blättern, aber auch in Layouts, die über den Mittelfalz hinweg erfolgen und einen „schweifenden Blick“ verlangen) verdeutlicht werden.

Die fotografische Erschließung des Deltas

Das Donaudelta ist erst verhältnismäßig spät in den Fokus der Fotografen geraten. Während zahlreiche andere Abschnitte des Flusses schon früh fotografisch dokumentiert wurden, blieb das Innere des weitläufigen Mündungsgebiets lange Zeit eine Art terra incognita. Zunächst wandten sich die Fotografen der Hafenstadt Sulina zu, die sich nach dem Krimkrieg (1853 bis 1856) zu einer wichtigen Handels-Drehscheibe zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer entwickelte und zugleich zum Endpunkt der immer beliebter werdenden Donaureisen mit dem Dampfschiff wurde. Die ersten Bilder waren im Auftrag der internationalen Europäischen Donaukommission entstanden, die 1856 (auf der Pariser Friedenskonferenz nach dem Ende des Krimkriegs) von den europäischen Großmächten gegründet worden war und die bis 1948 ihren Sitz in Sulina hatte. Die Kommission sollte dafür sorgen, dass die Schifffahrtswege an der Unteren Donau für den internationalen Verkehr frei blieben. Ihre Aufgabe war es auch, den Wasserweg zu modernisieren und auszubauen.[8]

Die Fotoserien, die um und nach 1900 in privatem Auftrag in Sulina entstanden, wurden vor allem für Reisende und Touristen hergestellt. Das Gros der Bilder wurde für fotografisch illustrierte Ansichtskarten hergestellt, die Reisende als visuelle Reisesouvenirs verwendeten (Abb. 2). Praktisch alle Postkartenmotive aus dem Gebiet des Deltas, die zwischen 1900 und dem Ende des Ersten Weltkriegs zirkulierten, beschränkten sich auf die Darstellung der kleinen Stadt Sulina, ihrer Straßen und Hotels, der Hafen- und Kaianlagen und des Leuchtturms. Keiner der Fotografen kam zu dieser Zeit auf die Idee, hinaus in die Wildnis des Deltas zu fahren. Die weitläufige Naturlandschaft, die die urbane Enklave am Ende der Donau umgab, wurde in der fotografischen Schilderung der Bildpostkarten vollständig ausgeklammert. In der ethnologischen Forschung hingegen gab es bereits vor und während des Ersten Weltkriegs ein langsam zunehmendes ethnologisches Interesse an den Lebensformen im Delta.[9]

Nach dem Ersten Weltkrieg begann sich das Bild des Deltas zu erweitern und zu verändern. Die international ausgerichtete Donaukommission, die das Delta und insbesondere Sulina zur urbanen Drehscheibe gemacht und die Untere Donau in ein dichtes Netzwerk von Handels- und Verkehrsströmen eingebunden hatte, verlor nun massiv an Einfluss. Diese Entwicklung ging mit einer Umwertung des Deltas als entlegene Naturlandschaft einher. Die zuvor wenig beachtete Wildnis wurde nun von den Reisenden zunehmend als Insel des Archaischen, aber auch als aufregende Freizeit- und Ausflugslandschaft entdeckt. Eine Reihe westlicher Reisender war in der Zwischenkriegszeit auf der Unteren Donau und im Delta unterwegs. Sie suchten die Exotik an den Rändern Europas, arbeiteten als Naturforscher bzw. Ethnologen, oder durchstreiften die Naturlandschaft des Deltas als Jäger.[10] Aber nicht nur die individuelle Nutzung der Deltalandschaft, sondern auch die kollektive Wahrnehmung derselben änderte sich. Diese wurde zur inszenierten Wildnis, zur Projektionsfläche für ganz unterschiedliche gesellschaftliche Diskurse. Diese reichen von touristischen, nationalen, sozialistischen bis hin zu ökologischen Perspektiven. Mit der jeweils einhergehenden Um- und Neudeutung des Deltas ging auch das Projekt einer ästhetischen Verzauberung und Entrückung der Landschaft einher, die in poetischen Sprachbildern, im Film, aber eben auch in Fotografien, beschworen wurde.

Diese Akzentverschiebung von städtischen Motiven hin zur Natur lässt sich in der der Zwischenkriegszeit nicht nur an der Donau, sondern auch an anderen Flüssen beobachten. Der französische Historiker Lucien Febvre, der in den frühen 1930er-Jahren eine breit angelegte Geschichte des Rheins schrieb, sah im Rhein-Delta ebenso eine faszinierende Flusslandschaft „voller geheimnisvoller Versprechungen“.[11] In den 1920er und 30er-Jahren wurden vielerorts entlegene, kaum berührte Naturlandschaften als heilsame Gegenentwürfe zur städtischen Zivilisation bereist, erkundet und beschrieben.

Einige Fotografen, die das Delta in der Zwischenkriegszeit als faszinierende Naturlandschaft dokumentierten, kamen aus Mitteleuropa. Leo Wehrli etwa, ein Schweizer Geologe und Reisender unternahm Mitte der 1930-er Jahre eine Donaureise, die ihn bis ins Delta führte. Bereits am Eisernen Tor begann er in seinen Aufnahmen die Zeichen des „Orientalischen“ zu sammeln. Im Delta angekommen, interessierte er sich nicht etwa für Sulina, sondern vor allem für abgelegene Naturlandschaften und traditionelle Siedlungen an den Kanälen (Abb. 3). Auch der deutsche Fotograf Willy Pragher, der familiäre Wurzeln in Rumänien hatte und in den späten 1930-er und frühen 1940er-Jahren bei einer Ölfirma in Rumänien tätig war, unternahm um 1940 Fotoreisen ins Delta. Auch er wandte sich fasziniert der Naturlandschaft zu und dokumentierte das traditionelle Leben in den lipowanisch geprägten Dörfern, etwa in Wylkowe (ukr. Вилкове, rum. Vâlcov).[12]

Paradies Delta: kolonial-ethnologische Blicke

Wie wichtig der Blick von außen auf das Delta war, zeigt das erste Fotobuch, das das Delta (und die Naturräume im unteren Donaulauf) zum Thema hatte. Es erschien 1929, nicht etwa in einem rumänischen, sondern in einem deutschen Verlag, nämlich im traditionsreichen Berliner Wasmuth Verlag, der sich auf Kunst-, Foto- und Reisebände spezialisiert hatte. Autor und zugleich Fotograf des Bandes „Ein Vogelparadies an der Donau. Bilder aus Rumänien. Tierwelt – Volksleben“ war der aus Wien stammende Reiseschriftsteller (und spätere Ethnologe beziehungsweise Völkerkundler) Hugo Adolf Bernatzik, der sich dem Naturraum im Mündungsgebiet der Donau als Jäger, Naturbeobachter und Fotograf näherte.[13] Er schildert die Flusswildnis als entrückte, naturbelassene, primitive Gegenwelt zur städtischen Zivilisation, als bedrohtes archaisches Paradies am Rande Europas. Im Zentrum seiner Erkundungen stehen, wie der Buchtitel („Vogelparadies“) andeutet, zwar Tiere in freier Natur, aber die „Tierwelt“ und das „Volksleben“ werden, so signalisiert bereits der Untertitel, in eine unmittelbare Beziehung zueinander gesetzt. Besonderes Augenmerk legt der Autor auf den Alltag der im Donaudelta lebenden Lipowaner, den er im Text und in Bildern als archaische Gegenwelt schildert. „Die nomadisierenden lipowanischen Fischer“, heißt es in einem der Bildtexte, hausen in primitiven Zelten und bereiten ihre Mahlzeiten auf offenem Feuer.“[14] (Abb. 4).

In der Zwischenkriegszeit war die Volks- und Völkerkunde, der sich Bernatzik zugehörig fühlte, eifrig bemüht, die letzten noch nicht „zivilisierten“ Gebiete in Europa, vor allem aber außerhalb Europas zu bereisen, erforschen, kartieren und auch zu fotografieren. Dazu zählte der Forscher auch das Delta, das er aus dem Blickwinkel des ethnografischen Forschers beschrieb: als unberührtes Naturparadies, als archaischen Archipel. Diesen zu erkunden kam auch einer Zeitreise gleich, die in längst vergangene Zeitschichten führte. Hier, weitab von der gegenwärtigen, städtischen „Zivilisation“, konnten Mensch und Natur gewissermaßen im „Ur- und Naturzustand“ studiert werden. Übersetzt ins Fotobuch, wird diese ethnologische Recherchereise für ein breites Publikum zugänglich gemacht.

Bernatzik betreibt in seinem Buch betreibt er eine Art Ethnologie in Bildern, eine Erkundung aus kolonialem Blickwinkel. Sein Blick von außen (und von oben) registriert und verortet nicht nur die Flora und Fauna, sondern auch die (teils deutsche) Volkskultur an der Unteren Donau. Der Autor fügt sowohl die Natur als auch die urtümliche „Volkskultur“ in ein archaisches Modell am Rande der Zivilisation ein, Exotisierung und Abwertung greifen in seiner Argumentation unmittelbar ineinander. Die als urtümlich geschilderten Bewohner des Deltas schließen bei ihm nahtlos an das Tierreich an. Im Blick des forschenden Ethnografen unterscheidet sich das Studium der Edelreiher, Kormorane und Seeschwalben nicht grundlegend von jenem der Bräuche und Trachten der „Ureinwohner“. In deutschtümelnder Manier beschreibt Bernatzik, wie in dieser entlegenen Naturlandschaft am Ende der Donau „blutsverwandte Menschen in zähem Ringen ihr Volkstum“ verteidigen.[15] Wird, so fragt der Autor quasi-rhetorisch, dieses bedrohte Paradies überleben können oder wird es „ein Opfer der Zivilisation werden“?[16]

Bernatzik durchquert die Wildnis des Deltas, die verlassenen Kanäle und die entlegenen Seitenarme ganz allein, zu Fuß und im Boot auf dem Wasser (Abb. 5). Als Instrumente der Wahrnehmung und der Begegnung dienen ihm das Jagdgewehr, die Kamera und der Schreibstift. Bauwerke und Technik verschwinden aus seinem Blickfeld, dafür schiebt sich die Natur in all ihren Facetten ins Bild. Nicht mehr das Dampfschiff, das vor dem Ersten Weltkrieg die Reisenden in großen Gruppen durch den regulierten Mündungskanal führt oder Sulina als städtische Enklave inmitten der Natur strukturieren hier die Wahrnehmung, sondern das kleine Faltboot, das der Autor mit der eigenen Körperkraft durch die verschlungenen Nebenarme des Deltas steuert und das tief hinein führt in die unberührte Naturlandschaft.

Bernatziks Aneignung des Deltas vom kleinen Boot aus steht in einer breiteren Tradition. Wie viele andere junge Männer aus Deutschland und Österreich fand auch er nach dem Ersten Weltkrieg Gefallen am solitären Unterwegssein auf Flüssen und Seen. Mit dem eigenen kleinen Faltboot war er nicht auf die großen, viel befahrenen Schiffsrouten angewiesen, sondern konnte sich frei und ungebunden in der Natur bewegen.[17] Die enorme Faltbootbegeisterung, die in der Zwischenkriegszeit, von Mitteleuropa (vor allem Deutschland, aber auch Österreich) ausgehend, unter anderem auch die Donau erfasste, etablierte eine neue Ideologie heroenhafter Selbst- und Naturerfahrung. Die Faltboot-Reisen ermöglichten es, die männlich kodierte Körperwahrnehmung, das Eindringen in die unbekannte Wildnis und die Faszination der Fremde eng miteinander zu verknüpfen.[18]

Zwischen Archaik und kommunistischem Fortschritt

Als nach 1945 in vielen Staaten Mittel- und Südosteuropas kommunistische Regierungen an die Macht kamen, änderte sich auch der fotografische Blick auf das Delta. Die bisher vergessene Peripherie rückte nun zur innerrumänischen „Frontier“-Landschaft auf, die in neue politische Diskurse eingepasst wurde. Als ambivalente „Zwischenlandschaft“ zwischen Naturparadies und sozialistisch kultivierter Landschaft wurde das Delta in die kommunistischen Narrative der Nachkriegszeit integriert. In dieser Perspektive markierte es eine Zone des kulturellen und gesellschaftlichen Übergangs: von der archaischen Vorvergangenheit in die fortschrittliche, sozialistische Zukunft.

Das Mündungsgebiet, das bisher mit ethnologischer Neugier vorzugsweise von außen betrachtet wurde, rückte nun verstärkt in den Fokus rumänischer Fotografen. In den 1950er und 1960er-Jahren erschienen eine ganze Reihe rumänischer Fotobänden über das Delta, die diesen Schwenk in der Wahrnehmung des Deltas verdeutlichen. Im Kontext des sozialistischen Nachkriegsrumänien wurde das Delta verstärkt als national codierte und sozialistisch umgeformte Natur- und Sehnsuchtslandschaft inszeniert, eine Perspektive, die sich sehr deutlich in den Fotobänden niederschlägt. Da diese Publikationen allesamt nicht am auf dem freien Markt erschienen, sondern offiziell genehmigt, öffentlich finanziert und über staatliche Verlage vertrieben wurden, spiegelt sich in ihnen auch – mit Nuancen und Unterschieden – die offizielle Politik gegenüber dem Delta.

Die Wahrnehmung des Mündungsgebiets blieb in der Zeit des Kommunismus zwiespältig. Einerseits griff der sozialistische Delta-Diskurs die schon in der Vorkriegszeit entwickelte Rhetorik von der archaischen Insel inmitten der Zivilisation auf. Auf der anderen Seite wurde das Delta als Musterbeispiel einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung und Emanzipation vorgestellt, gewissermaßen als experimentelle Landschaft, in der sich die Errungenschaften des Sozialismus und des gesellschaftlichen Fortschritts wie am Präsentierteller vorzeigen lassen.[19] Besonders deutlich zeigt sich die Ambivalenz, die zwischen der Faszination einer archaischen Welt und sozialistischen Idealen changiert, im Bildband „Das Donaudelta“, dessen deutschsprachige Ausgabe 1956 im Verlag für fremdsprachige Literatur in Bukarest (rum. București) erschien, sich also dezidiert auch an ein ausländisches Publikum wandte.[20] Der einleitende Text stammt von Mihail Sadoveanu, einem der bekanntesten rumänischen Schriftsteller, der nach 1945 zum treuen Propagandisten des Regimes und zu einer Art Staatsschriftsteller wurde. Die Fotos stammen von mehreren rumänischen Fotografen und wurden im Buch zu einer fortschrittsoptimistischen, linientreuen Erzählung zusammengestellt.[21]

Eines der Fotos im Band zeigt Mihail Sadoveanu beim Fischen inmitten der Naturlandschaft des Deltas, das er, so berichtet er, seit fünf Jahrzenten immer wieder besucht habe. In seiner Einleitung schildert der Autor das Delta in pathetischen Wendungen als „Überbleibsel eines primitiven Paradieses“[22]. Alltag und Lebensweise in dieser archaischen Enklave erinnern ihn an afrikanische Vorbilder, so wie sie auch „am Niger oder Limpopo“ anzutreffen seien. Im selben Atemzug aber wechselt der Autor den Tonfall und setzt zur Lobeshymne auf die sozialistische Aufbau- und Entwicklungspolitik an, die das Delta und ihre Bewohner in eine lichte Zukunft führen werden. Dieser Diskurs wird auch in den Bildteil des Bandes übersetzt. Zum einen wird die unberührte Natur, aber auch das einfache Leben der BewohnerInnen dargestellt, auf der anderen Seite die Errungenschaften des Sozialismus. Auf einer Doppelseite schiebt sich vor das Bild des Flusses und des Schilfs das stolze Porträt einer „Brigadeleiterin“, die lachend in die Ferne blickt (Abb. 6). Ihr gegenüber ist ein Boot zu sehen, auf dem der drei heroisch blickende Fischer stehen, die im Dienst des Sozialismus unterwegs sind. Der kommunistische Stern und die Insignien des Sozialismus, die in die hölzerne Bordwand eingeschrieben sind, weisen den Weg.

Das „Gold“ des Deltas, so Sadoveanu, sei das Schilf, das, industriell geerntet und zu Zellulose verarbeitet, ein wichtiger Rohstoff für die rumänische Papier- und Textilindustrie sei (Abb. 7). Es könne zur Fertigung von Baumaterial, Bauplatten und Möbeln verwendet werden und sei auch in der chemischen Industrie verwendbar. Der Sozialismus bringe dieser Gegend Wohlstand und Glück. Man werde, so führt er aus, auf den Dünen Gärten anlegen, Schulen und Bibliotheken für die Fischer und Arbeiter gründen und Werkhallen und Fabriken bauen. Sadoveanu schließt seine Hymne auf das Delta mit einem Loblied auf den Sozialismus. „Für alles, was im Paradies des Deltas geleistet wurde und noch geschaffen werden wird, gebührt den Werktätigen unserer Republik Lob und Dank.“[23]

Die Topoi, die der Bildband aus dem Jahr 1956 textlich und visuell zusammenführt, finden ihre Fortsetzung in einer Reihe weiterer fotografisch illustrierter Bände über das Delta, die in den 1960er-Jahren erschienen. Ein Gutteil davon erschien in Rumänien, einige Bände wurden aber auch in fremdsprachigen Ausgaben produziert und adressierten ein internationales Publikum. Dazu kamen Fotobücher über die Donau aus anderen sozialistischen Ländern entlang der Donau, die das Delta ebenfalls zwischen archaischer Wildnis und lichter kommunistischer Zukunft verorteten.[24] All diese Bände, aber auch ausgewählte Filmprojekte (etwa der Dokumentarfilm „Stuf“ [Schilf], aus dem Jahr 1966) greifen die Dichotomie zwischen der archaischen Sehnsuchtslandschaft und ihrer sozialistischen Transformation in die Moderne auf.[25]

In der 1963 erschienenen Publikation „Das Donaudelta“ wird das Delta etwa als „Märchen- und Traumland“ bzw. als „Zauberreich“ vorgestellt.[26] Die pathetische Schilderung von Fănuş Neagu beschwört die mythisierte Natur des Deltas, die zur Bühne für ein Drama wird, das bereits Sadoveanu beschrieben hatte: zwischen den rückwärtsgewandten, als „orientalisch“ gebrandmarkten Traditionen des Deltas einerseits und der erlösenden sozialistischen Zukunft andererseits. Die Stadt Tultscha (rum. Tulcea) am Eingang des Deltas trug einst, so führt der Autor beispielsweise aus, den „Stempel einer dahinsiechenden orientalischen Stadt mit Bazaren und Maklern, Bettlern und elenden Wohnvierteln, mit verrufenen Spelunken, Scharlatanen und Dieben, mit Schiffskapitänen ohne Schiffe.“ [27] Diese Stadt habe sich „im Schatten vergoldeter Minaretts und einer glanzvollen Vergangenheit“ langsam aber sicher selbst aufgerieben.“[28] Der Sozialismus habe diesen Alptraum der „orientalischen“ Vergangenheit endgültig vertrieben und das Delta in ein Paradies mit sozialistischem Antlitz verwandelt. „Die neue, volksdemokratische Ordnung hat dem Elend in Tulcea ein Ende gesetzt. Arbeiterwohnviertel entstanden, die mit den Neubauten der Großstädte wetteifern können, es wurde eine Fischkonservenfabrik errichtet, die modernste in Südosteuropa, die einen Großteil des mit Schleppnetzen gewonnen Reichtums des Donaudeltas verarbeitet, eine Gemüsekonserven- und Süßwarenfabrik, eine Fabrik für Fischereigeräte (…).“[29] Das Delta wird als eine Art gesellschaftliches Laboratorium vorgeführt, das den Sieg und die Errungenschaften des Sozialismus in nuce zeigt: von der Vormoderne in die Moderne, von der zurückgebliebenen voraufklärerischen Enklave zum leuchtende Beispiel des Sozialismus. Im Kern haben wir es hier mit einer geradezu biblisch angehauchten Rettungsgeschichte mit sozialistischem Anstrich zu tun. Fănuş Neagu schließt seine Hymne an das gerettete Delta mit pathetischen Worten: „Vom Alpdruck der Angst und des Sumpffiebers befreit, singen die Menschen heute im Gebiet an der Donaumündung, von der Erde wie vom Wasser mit Manna beschenkt, Lieder des Sieges und der Lebensfreude.“[30]

Ein künstlerisches Statement

Im Impressum des Bildbandes von Mihail Sadoveanu „Das Donaudelta“ aus dem Jahr 1956 findet sich unter anderem der Name Dan Grigorescu. Dieser gestaltete den Umschlag des Buches und steuerte die fotografischen Farbaufnahmen bei. Es handelte sich um die erste Publikation des Fotografen, die Mitarbeit war über Mihail Sadoveanu zustande gekommen, den Grigorescu kurz zuvor kennengelernt hatte. Gut eineinhalb Jahrzehnte später sollte Grigorescu einen eigenen Fotoband über das Delta vorlegen, der aufgrund seiner innovativen Gestaltung und Bildsprache neue ästhetische und erzählerische Wege in der fotografischen Schilderung der Donau und insbesondere des Deltas eröffnete.

Dan Eremia Grigorescu stammte aus einer wohlhabenden rumänischen Familie, sein Vater, Eremia Grigorescu, war General der Armee, seine Mutter, Elena Negropontes, kam aus einer Familie von Großgrundbesitzern.[31] Seine Schulzeit in der Zwischenkriegszeit verbrachte Dan Grigorescu, so wie viele Kinder der rumänischen Oberschicht, in Frankreich. Nach einer militärischen Ausbildung in Rumänien und einer Dienstzeit im Zweiten Weltkrieg wandte sich der finanziell bestens abgesicherte junge Mann seinen zwei Leidenschaften zu: der Literatur und der Fotografie. Als die Kommunisten 1947 in Rumänien an die Macht kamen, waren ihm, der aus dem Großbürgertum kam, die Zugänge zu literarischen Zeitschriften und Publikationen zunächst versperrt.[32] Er verlegte sich auf die Fotografie, kaufte sich eine teure Fotoausrüstung und begann das Land zu bereisen. In der nordöstlichen Region Moldau, in der seine Familie ausgedehnte Landgüter besessen hatte (die nach 1947 enteignet worden waren), lernte er den Schriftsteller Mihail Sadoveanu kennen. Er war eine extrem einflussreiche Figur auf der politischen und kulturellen Bühne Rumäniens. Sadoveanu ermöglichte Grigorescu nicht nur erste Fotopublikationen, sondern ebnete ihm darüber hinaus den Weg, als Fotograf arbeiten und leben zu können. 1956 trat Grigorescu als einer von mehreren Gründungsmitgliedern der neu ins Leben gerufenen offiziellen Vereinigung künstlerischer Fotografen Rumäniens (Asociația Artiștilor Fotografi din România) in Erscheinung und konnte, derart abgesichert, seine Fotografien in den folgenden Jahren in Zeitschriften und Büchern veröffentlichen.[33] Er wurde zu einem der bekanntesten Fotografen Rumäniens, der eine Reihe von Fotobänden herausgab. Unter anderem wurde er mit seinen fotografischen Interpretationen der Kunstwerke Constantin Brâncuși auch international bekannt.

Durch die Fürsprache Sadoveanus erhielt Grigorescu unter anderem Zugang zum staatlichen Verlag Meridiane, mit dem er ab Mitte der 1960-er Jahre kooperierte und in dem er in der Folge eine Reihe von Kunst- und Fotobänden herausgab. Der Verlag war 1952 in Bukarest gegründet worden und hatte sich zum führenden rumänischen Kunstverlag entwickelt, der auch ein umfangreiches Programm an Auslandstitel herstellte. Der Großteil der verlegten Bücher waren Kunstbände. Monografische Fotobände in der Art des Delta-Fotobuchs von Dan Grigorescu, das 1967 erschien, waren im Verlagsprogramm jedoch eher selten. Es stellte also für den Fotografen ein großes Privileg dar, ein derartig repräsentatives Buchprojekt realisieren zu können. Die Produktion und internationale Vermarktung eines derartigen Fotobuchs waren in der kommunistischen Zeit keine Selbstverständlichkeit, sondern kamen einem staatlichen Auftrag gleich, der im Gegenzug ideologische Linientreue einforderte. Der großformatige Band mit dem stattlichen Querformat von 28,5 cm x 32 cm war nicht nur hervorragend gedruckt, sondern auch aufwändig gestaltet und teils farbig bebildert (mit 214 Schwarzweiß-Fotos und 16 Farbtafeln).[34] Er erschien außer in einer rumänischen auch in einer deutschen, englischen und französischen Ausgabe, war also auch für den breiten Auslandsmarkt gedacht.[35]

Der Band „Im Donaudelta“ ist in elegantes blaues Leinen gebunden, über welches ein fotografisch bedruckter Schutzumschlag gelegt ist. Das Titelfoto zeigt eine fast schon abstrakte Naturszene: von Spinnweben überzogene Äste und Bäume, die ineinander verschlungenen Schwarz-Weiß-Schattierungen erzeugen (Abb. 8). Anders als bei den meisten Fotobänden der Zeit, erfolgt der Einstieg also nicht über ein intuitiv fassbares, ikonisches Motiv, das das Thema des Buches unmittelbar andeutet. Am Beginn steht vielmehr ein sperriges, abfallend gedrucktes Foto, das die rasche Einordnung verweigert und eher Rätsel aufgibt als Klarheit zu schaffen. Dazu kommt, dass sich – und das ist durchaus ungewöhnlich – auf dem Umschlag kein einziger Schriftzug findet, der das Bild textlich verankert, also kein Titel und keine Autoren- oder Verlagsangaben. Bereits dieser unorthodoxe visuelle Einstieg fungiert wie ein starkes künstlerisches Statement, das mit den etablierten gestalterischen Traditionen der herkömmlichen Fotobuchgestaltung bricht. Der Umschlag schafft nicht etwa Orientierung, sondern erzeugt, im Gegenteil, zunächst eine gewisse Unsicherheit.

Und dennoch: Grigorescu hat dieses Einstiegsbild und seine grafische Aufbereitung gewiss nicht zufällig gewählt. Das Motiv führt unmittelbar hinein in das Thema des Buches, das das Delta als unberührten, wilden, geradezu paradiesischen Dschungel vorführt, als Eldorado der Natur, das der Zivilisation scheinbar enthoben ist. Erst beim Blättern im Buch wird die Ambivalenz dieser Inszenierung offenbar:  Das Delta wird, so zeigt die weitere Erzählung im Buch, nicht einfach nur als eine der Gegenwart entrückte Gegenwelt dargestellt, sondern als eine komplexe Übergangszone zwischen Archaik und Moderne, die in vielfacher Hinsicht mit dem gesellschaftlichen und politischen Horizont der Gegenwart verbunden ist. Visuell eingefasst ist die bildliche Erzählung im Buch durch zwei Farbmotive, die den Innenteil eröffnen und beschließen. Auf dem Vor- und Nachsatz findet sich ein farbiges, doppelseitig gedrucktes Dämmerungsmotiv, das auf den ersten Blick eine zeitliche Spanne, einen Erzählbogen andeutet, jenen zwischen Tag und Nacht. Aber diese bildliche Klammer kann auch metaphorisch gelesen werden, als Öffnen und Schließen der Augen oder sogar als Anspielung auf die Kamera, als eine Art Auf- und Abblende, die die Lichtverhältnisse zwischen Helligkeit und Dunkelheit reguliert.

Natur und Moderne

Die einleitende Bildstrecke im Buch besteht aus einer Reihe von über den Mittelfalz  gezogenen Fotografien, die die Themen des Bandes – die Hymne an die Natur, aber auch an den technischen Fortschritt – in Form eines visuellen Prologs durchbuchstabieren. Die oft panoramaartig aufgebauten und teils abfallend bedruckten Doppelseiten evozieren die endlose Landschaft des Deltas. Das erste Bild führt nicht etwa die am Umschlag angedeutete Ikonografie der reinen Natur weiter, sondern setzt einen deutlichen Kontrapunkt: Statt der Natur ist die urban geprägte Randstruktur des Deltas ins Bild gesetzt. Eine Luftaufnahme zeigt die am Eingang des Deltas gelegene Hafenstadt Tultscha, die durch die moderne, unter dem Sozialismus entstandene Wohnbauarchitektur geprägt ist. Im Hintergrund schweift der Blick auf die Donau und das Delta. Dieses Eingangsbild fixiert den gesellschaftlich-ideologischen Rahmen, in dem der Naturraum des Deltas verortet wird.

Die folgenden Doppelseiten schreiben diese politisch eingebettete Natur-Erzählung fort. Sie zeigen, zum Teil ebenfalls in abstrahierenden Luftaufnahmen, die unter dem kommunistischen Regime in großem Stil betriebene industriell organisierte Schilfernte. Dann schwenkt die Bilderzählung zurück zur Natur. Wir sehen die abstrakte Vegetation des Deltas, Vögel in der Luft und am Boden. Und schließlich tritt der erste Mensch ins Bild: ein Fischer im kleinen Kahn inmitten einer nebeligen Schilflandschaft, gefolgt von einer weiteren Fischerszene, diesmal in Nahaufnahme, die die schwere Arbeit des Fischens in einer reportageartigen, seriell angeordneten Bildfolge zeigt (Abb. 9 Fischer Hausenfang, Reportage). Die folgenden Fotografien zeigen neuerlich die weite Landschaft des Deltas sowie die Spuren, die die menschliche Tätigkeit hinterlassen haben. Archaische Idylle und gesellschaftliche Intervention stoßen aufeinander, die Richtung, in die sich die Mündungslandschaft der Donau bewegt, ist eindeutig: Die von Menschen und Maschinen bearbeitete und umgestaltete Landschaft wird, so lautet die Botschaft, unter dem Einfluss der modernen Zivilisation einer besseren kommunistischen Zukunft entgegengehen.

Aber anders als der Bildband von Mihail Sadoveanu „Das Donaudelta“ aus dem Jahr 1956, in dem die Schilderung des Deltas im Dienst der Propaganda holzschnittartig zugespitzt war, bedient sich die Bildgeschichte Dan Grigorescus weitaus subtilerer und komplexerer Instrumente des Erzählens, die weniger auf den Text, dafür aber umso stärker auf die Kraft der Bilder und die sorgsam inszenierten Bildfolgen zurückgreift: ihre präzise Reihung, Überlagerung und Gegenüberstellung. Aber auch Grigorescu formuliert in seiner visuellen Narration gesellschaftspolitische Botschaften. Ein Beispiel dafür ist ein suggestives Luftbild am Ende des ersten Bildblocks, das den Fluss von oben zeigt (Abb. 10). Auf den ersten Blick ist nur der von einem Schiff erzeugte Wellengang zu sehen, der der schillernden Wasseroberfläche eine abstrakte Note verleiht. Wenn wir aber den im Anhang genannten Bildtitel „Sanitätsschiff“ für diese Szene in die Deutung miteinbeziehen, verändert sich die Lesart der Doppelseite deutlich. Nun wird aus der auf den ersten Blick beschaulichen, entrückten Naturszenerie mit einem Schlag ein politisches Bild. Das Sanitätsschiff steht nämlich – auch – für eine sozialistische Politik, die das Delta verändert. Es ist, in dieser Lesart, der Staat, der mit seiner staatlichen Gesundheitspolitik Besserung in die in der kommunistischen Zeit oft beklagte ungesunde, von archaischen Bräuchen geprägte Donaulandschaft bringt.

Nach dem bildlichen Prolog, der aus einem Dutzend kommentarloser Bild-Doppelseiten besteht, stoßen wir auf den ersten und einzigen kurzen in den Bildteil integrierten Text, der als Einführung und Leseanweisung für die gesamte Bilderzählung dient und der, zeitweise in Ich-Form gehalten, auch so etwas wie ein persönliches Credo des Fotografen enthält.[36] In diesen Textbeitrag eingestreut sind fotografische Bilder, die eine weitere Dimension der Deltalandschaft eröffnen, indem sie ihr eine historische Tiefe verleihen. Den Auftakt macht eine Luftaufnahme der mittelalterlichen Festungsruine Herakleia (heute unter dem Namen Enisala bekannt), die am Rande des Deltas, in der Nähe von Tulcea, liegt sowie Bilder von archäologischen Artefakten aus der Antike, die im Delta ausgegraben wurden.

„Die Liebe zum Delta ist keine Liebe auf den ersten Blick.“ [37] In diesem Satz verdichtet Grigorescu seinen poetisch-emotionalen Zugang zur spröden Schönheit der Deltalandschaft, die sich nicht auf den ersten Blick und nie zur Gänze erschließt. Er zitiert seinen literarischen Ziehvater Mihail Sadoveanu, mit dem er schon Jahre zuvor das Delta bereist hatte. Dieser hatte, so meint er, zweifellos recht, wenn er das Delta als „ein Land des Unerwarteten, des Nochniedagewesenen, ein Land der Überraschungen“ bezeichnet.[38] Die entrückte, archaische Landschaft trifft hier unmittelbar auf die Moderne. „Es ist das Delta der Vogelkolonien, die oft in undurchdringlicher Wildnis nisten. Und daneben steht die Stadt Maliuc mit ihren modernen Häuserblocks, ihren Lichtern, Labors, Werkstätten, Kinos. Es ist das Delta der Wasserstraßen, auf denen lautlos Fischerboote gleiten; unweit davon sind die Spuren zu sehen, die dröhnende, staubaufwirbelnde LKWs hinterließen. Es ist das Delta des Anglers, das Reich der heiligen Ruhe, die nur vom Geräusch des von den Fährenstaken tropfenden Wassers unterbrochen wird; in der Nähe befindet sich jedoch das Schilfverarbeitungszentrum mit dem unablässigen Getöse von Baggern, Traktoren, Kränen, Schleppern, Bulldozern, Hubschraubern und Elektrogenschweißgeräten.“[39]

Grigorescu führt die disparaten Bilder des Deltas zusammen, aber er bündelt sie nicht in einer holzschnittartigen Botschaft. „Das Donaudelta“, so führt er aus, „spricht mit so vielen Zungen, daß es unmöglich ist, mit einem einzigen Gehirn, einem einzigen Augenpaar all das zu entziffern, was zu sagen ist. Daher habe ich auch bei diesem Bildband von einem umfassenden und anspruchsvollen Titel wie ‚Das Donaudelta‘ abgesehen und ihn einfach ‚Im Donaudelta‘ benannt. Damit meine ich das, was ich selbst gesehen habe, gleichzeitig aber das Fehlen der vielen anderen Schönheiten.“[40]

Das weibliche Delta

Im Hauptteil des Fotobuchs lässt Grigorescu die Bilder dieser beiden scheinbar antagonistischen Welten, jene der unberührten Natur und jene der sozialistischen Moderne, unmittelbar aufeinandertreffen. Die Welt der Technik bringt aber die Wildnis nicht zum Verschwinden, im Gegenteil. Im Vordergrund steht die die üppige Vielfalt der Natur, die einen ganz eigenen „Zauber“ (Grigorescu) hervorruft. In immer neuen Anläufen nähert sich der Fotograf dieser labyrinthischen Natur des Deltas, er beobachtet die Brutstätten der Vögel und hält ihre Formationen in der Luft fest, er dokumentiert das verworrene Ast- und Wurzelwelt der Bäume und Sträucher in den Sumpfgebieten, und zeigt die Welt der Reptilien und der Fische. Im geschickten Rhythmuswechsel pendelt er von Nahaufnahmen hin zu panoramatisch angelegten Überblicksszenen und wieder zurück. Auf diese Weise tauchen wir immer weiter in die Deltalandschaft ein (Abb. 11, 12).

Zwar zeigt der Fotograf auch die Monumentalität der Maschinen, die sich ihren Weg durch die Natur bahnen oder diese zähmen (Abb. 13). Aber die Ikonografie und Symbolik der sozialistischen Propagandaästhetik meidet er. Wenn er das Thema Arbeit in Nahaufnahmen ins Spiel bringt, wendet er sich öfter lokalen Fischern zu, deren Tätigkeit er aufmerksam verfolgt und deren althergebrachte handwerkliche Techniken er offenbar mit Sympathie dokumentiert (Abb. 14, 15). Die Arbeit in den Konserven- und Fischmehlfabriken hingegen zeigt er nicht aus der Nähe. Ganz offensichtlich sind die sozialistische Moderne und die archaische Natur für Grigorescu keine unversöhnlichen Gegensätze, vielmehr stellt er immer wieder Verbindungen zwischen diesen beiden Polen her. Etwa dadurch, dass er mittels gezielt eingesetzter Luftaufnahmen aus dem Flugzeug die natürliche und die industrialisierte Natur in gleichermaßen abstrakten Bildmustern auflöst (Abb. 16). Aus der Vogelschau zeigt sich die bearbeitete und unbearbeitete Landschaft in filigranen Strukturen, die zur weiteren Erkundung einladen. Dieser abstrahierende Blick setzt sich in den Nahaufnahmen fort. Auch die Zeugnisse der menschlichen Arbeit, die Schilfernte, die ausgespannten Fischernetze, die gewebten Muster traditioneller Teppiche und Textilien, reihen sich in diese abstrahierende Präsentation ein.

Grigorescus Bildband erzählt vom Wechselspiel zwischen Annäherung und Distanz des Menschen zur Natur, er berichtet aber auch vom langsamen Eindringen in die fremdartige Wildnis. Die Spuren der Zivilisation werden im Inneren des Deltas immer spärlicher, je weiter der Fotograf vordringt, desto unübersichtlicher werden die Bilder. Das labyrinthische Umschlagbild des Fotobuchs offenbart den Kern des Deltas: die Wildnis als wunderbares, schwer zu entzifferndes Chaos. In seinem bereits genannten programmatischen Text setzt Grigorescu zum Lob dieser verwunschenen Landschaft ein. „Ich traf Menschen, die behaupten, das Delta sei nichts als eine monotone Fläche von Schilf und Wasser. Ebenso könnte man sagen, das Kino bestehe nur aus Stühlen und einer großen Leinwand.“[41] Der kalten, funktionalistischen Perspektive setzt er die Emotion entgegen. Und er scheut sich nicht, ein großes Wort ins Treffen zu führen: die Liebe. „Die Liebe zu diesem Landstrich kommt allmählich; ob so viel verborgenem inneren Reichtum gleichsam beschämt, enthüllt er nur allmählich seinen Zauber, dem man verfällt, so ganz und unwiderruflich, dass schon der Anblick eines Schilfrohrs genügt, um die Sehnsucht nach dieser Erde zu wecken.“[42]

Die Annäherung an das Delta gleicht bei Grigorescu einem Liebeswerben. Unverkennbar nimmt die labyrinthische Natur in der Erzählstruktur des Bildbandes weibliche Attribute an. Ihre labyrinthische und zugleich zauberhafte Struktur, die bereits im Umschlagbild leitmotivisch angedeutet wird, setzt sich im Inneren des Buches fort. Der weiblichen Natur ist die männliche Arbeit (alle Arbeiter im Bild sind Männer), aber auch die männlich konnotierte Technik gegenübergestellt. Die Rolle des Fotografen und Erkundungsreisenden schreibt sich in diese Dichotomie zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen ein. Der Fotograf dringt mit seiner Kamera immer tiefer in die „weibliche“ Wildnis ein, er überwindet Widerstände und verfällt schließlich ihrem spröden Zauber. Die Natur spielt in diesem Tanz der Annäherung die Rolle der Geliebten, die angebetet und besungen wird. „Das hier zusammengetragene Bildmaterial will ein Versuch sein, ähnlich dem Liebenden zu beweisen, dass die schönste Frau der Welt die Erkorene ist. Und vielleicht ist das hier gelungen.“[43]

Internationale Verbindungen

Der Fotoband von Dan Grigorescu ist fast vollständig in Schwarz-Weiß gehalten, nur der Schlussteil ist in Farbe gedruckt. Als das Buch 1967 erschien, war der Farbdruck von Bildbänden in der rumänischen Verlagslandschaft keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Relativ wenige Fotografen konnten sich Farbfilme leisten, 1970 gab es in Bukarest ein einziges Fotostudio, das regelmäßig mit Farbe arbeitete.[44] Auch in der gedruckten Fotografie war die Farbe ein Privileg. Nur ausgewählte Buchprojekte wurden im Farbdruck hergestellt. Grigorescu hatte bereits 1956 die Möglichkeit, im Bildband von Mihail Sadoveanu „Das Donaudelta“ mehrere Farbtafeln beizusteuern. In seinem Band „Im Donaudelta“ konnte er neuerlich auf Farbtafeln zurückgreifen.

Die Frage liegt auf der Hand, aus welchen Gründen Grigorescus eigenwillig gestaltete und nicht offen propagandistisch ausgerichtete Publikation in den Genuss dieser großzügigen staatlichen Unterstützung gelangte. Zum einen liegt das gewiss auch daran, dass das Buch in eine Phase des relativen politischen Tauwetters in Rumänien fiel, die etwa 1965 einsetzte und etwa zehn Jahre dauerte. Zum anderen öffnete sich das Land in diesen Jahren vermehrt der internationalen Kunstszene. Das hatte unter anderem zur Folge, dass man dezidiert international orientierte Publikationen förderte, die an die ausländische (v.a. französische) Kunstszene anknüpften.

Grigorescus Band etwa orientierte sich an internationalen fotografischen Tendenzen, die sich in den 1960-er und 70-er Jahren auch im Medium des Bildbands niederschlugen. In zahlreichen Ländern flossen die neuen Formensprachen der künstlerischen Fotografie in experimentell gestaltete Publikationsprojekte ein. Im deutschsprachigen Raum waren das etwa die subjektive Fotografie, in den USA die straigth photography, in Italien die neorealistischen Tendenzen aus dem Film, die in Fotobücher übersetzt wurden. Ein Beispiel dafür ist der 1966 in Mailand erschienen Fotoband „Fiume Po“, der ebenfalls einen Flusslauf mit fotokünstlerischen Mitteln proträtierte (Abb. 17). Aber nicht nur im Westen, sondern auch in den kommunistisch regierten Ländern Mittel- und Osteuropas setzte sich in den 1960-er Jahren in etlichen Fotobüchern eine neue Bildsprache durch. Eine führende Rolle spielte dabei die Tschechoslowakei, in der in diesen Jahren eine Reihe grafisch und fotografisch wegweisender Fotobände veröffentlicht wurde, was auch Auswirkungen auf die fotografische Dokumentation der Donau hatte. Der 1965 erschienene Band „Dunaj v Československu“ der slowakischen Fotografin und Ethnologin Ester Plicková etwa näherte sich dem slowakischen Donauabschnitt mit fotokünstlerischen Mitteln.[45] So wie Grigorescu schlägt auch Plicková den Bogen von der sozialistischen Moderne hin zur archaischen Wildnis der Natur entlang der Donau. Mit großer Faszination porträtiert sie die kaum berührten Aulandschaften entlang des slowakischen Flussabschnitts (Abb. 18).

Es ist durchaus denkbar, dass Grigorescu einige dieser genannten Projekte und Publikationen gekannt hat und diese ihm als Anregungen für sein Delta-Projekt gedient haben, da der internationale Austausch in der rumänischen Fotoszene ab Mitte der 1960-er Jahre rege war. Aber Grigorescus Buchprojekt geht vom Anspruch her deutlich über diese Beispiele hinaus. Sein Band über das Delta lebt von der modernen Bildsprache, vor allem aber von der geschickt gebauten visuellen Narration, die die Potentiale des Mediums Fotobuchs auf ganz neue Weise auslotet.

Lipowaner: Fremde im Blick

Dan Grigorescus eigenwillig gestalteter Bildband balanciert geschickt zwischen künstlerischer Freiheit und politischer Anpassung. Dieser Balanceakt wird oft freilich erst auf den zweiten Blick deutlich. Nehmen wir als Beispiel das Porträt eines alteingesessenen Deltabewohners, das im Fotoband großformatig abgebildet ist. (Abb. 19) Auf der gegenüberliegenden Seite sind zwei traditionell gebaute Häuser zu sehen. Das Porträt entstand in Jurilovca, einer Ortschaft im Innern des Deltas. Der Mann hat seine Arme auf einen Holzstamm gestützt, die Hände sind unter dem Kinn und dem langen Bart verschränkt. Er lacht in die Kamera. Ohne jeden Zweifel handelt es sich beim Mann mit dem langen Bart um ein „Lipowaner“, also einen Nachkommen jener religiösen Minderheit der „Altgläubigen“, die sich im 17. Jahrhundert den Glaubensreformen in Russland widersetzten und sich durch Auswanderung der Verfolgung entzogen. Einige Tausend von ihnen ließen sich im Delta nieder. Der im Anhang angeführte Bildtext blendet die ethnisch-religiöse Herkunft des Mannes aus. Er wird schlicht als „Fischer“ vorgestellt, also in den Kontext der Arbeit gesetzt. Auch in anderen vorwiegend von Lipowanern bewohnten Dörfern, etwa in Mila 23, fotografierte Grigorescu alteingesessene Lipowaner. Auch hier blenden die Bildtexte die Herkunft der Porträtierten aus.

Grigorescus visuelle Strategie ist also ambivalent. Er verschränkt die Bilder einer archaischen Welt mit den Aufnahmen der sozialistischen Modernisierung, die im Einklang mit der herrschenden sozialistischen Doktrin stehen. Letztere vertritt er in seinem Buch aber nicht lautstark, im Gegenteil: In der Bilderzählung hält er erstaunlich viel Platz für diese archaische Gegenwelt bereit, die ihn sichtlich fasziniert. Es hat den Anschein, als ob er den kommunistischen Diskurs über das Delta hie und da nur oberflächlich übernimmt, um sich gegen Kritik zu immunisieren, diesen aber immer wieder subversiv unterläuft.

Die Lipowaner werden einerseits als Vertreter einer alten, untergegangenen Welt, andererseits als Beispiel der arbeitenden Bevölkerung vorgestellt. Diese Ambivalenz taucht nicht erst bei Grigorescu auf, sie begegnet uns schon in den frühen Jahren des sozialistischen Rumäniens. Bereits im ersten sozialistischen Bildband „Das Donaudelta“ aus dem Jahr 1956 kommt dieser Zwiespalt zwischen Exotik und Faszination, zwischen Archaik und sozialistischer Moderne am Beispiel der Lipowaner deutlich zum Ausdruck. „Auch die Menschen“, schreibt der Herausgeber Mihail Sadoveanu in seiner Einleitung, „die sich hier niederließen, sind recht interessant. Ruhelose Wanderer aus allen Himmelsgegenden, Verfolgte, die wegen ihrer religiösen oder politischen Anschauung vertrieben wurden, Empörte, die die Schmach des Unrechts, der Willkür und der Sklaverei nicht ertragen konnten, Verwegene, die hierher flüchteten, um ihrem Zorn freien Lauf zu lassen, ihre Rache vorzubereiten, Entflohene aus der sibirischen Verbannung, Abenteurer, die in einem neuen Land die Freiheit der Arbeit suchten.“[46]

In wenigen Sätzen wird hier der lange Weg der Lipowaner (die freilich nicht beim Namen genannt werden) von der religiösen Verfolgung im Zarenreich des 17. Jahrhunderts über ihre Rettung bis hin zu ihrer neuen Rolle im sozialistischen Rumänien nachgezeichnet. Die Odyssee endet im sozialistischen Topos der „Freiheit der Arbeit“. Diese Ambivalenz in der Schilderung der Lipowaner ist bemerkenswert, macht sie doch brennpunktartig die Mehrdeutigkeit des Delta-Diskurses im Ganzen sichtbar. Dieser pendelt im 20. Jahrhundert immer wieder zwischen der Exotisierung der Delta-Wildnis und ihrer Bewohner und dem Ideal des (sozialistischen) Fortschritts. Hugo Bernatzik hatte diese Ambivalenz bereits in seinem Bildband aus dem Jahr 1929 aufgegriffen. Er präsentiert das Foto eines Lipowaners in traditionellem Gewand und mit langem Bart als „Anhänger einer russischen Sekte“ (Abb. 20). Wenige Seiten weiter zeigt er erneut das Porträt eines Lipowaners, diesmal als Prototyp eines finster blickenden, zwielichtigen Gesellen, der der Namen „Iwan“ trägt und der als „rumänischer Deserteur und Reiherräuber“ vorgestellt wird (Abb. 21).

Dieser typologisierende Blick, der das Fremde als exotische Sehenswürdigkeit (oder gelegentlich auch als Gefahr) ins Bild rückte, begegnet uns in einer Reihe von Donau-Bildbänden des 20. Jahrhunderts. In der kommunistischen Ära tritt die Abwertung dieser traditionellen Menschengruppe zurück, das Archaische wird dadurch gebändigt, dass es ins Repertoire des sozialistischen Fortschritts aufgenommen wird. Die Männer mit ihren langen Bärten erregen zwar immer noch Aufsehen, sie werden aber (zumindest auf der Textebene) in das sozialistische Kollektiv integriert, indem ihre ethnische Herkunft ausgeblendet und mit beruflichen Bezeichnungen wie „Arbeiter“ oder „Fischer“ überschrieben wird.

Nicht immer aber sind es Porträts, die die Züge des Exotischen und Fremden verkörpern. Gelegentlich treten bauliche Ensembles an ihre Stelle. Es gibt eine Ortschaft im Donaudelta, die in diversen Bildbänden immer wieder zur paradigmatischen Projektionsfläche des kulturell „Anderen“ wurde, nämlich Vylkove. Die kleine, am nördlichen Kilija Arm gelegene und ebenfalls seit langem (auch) von Lipowanern bewohnte Stadt (die heute zur Ukraine gehört), ist am und teilweise im Wasser gebaut, sodass sie oft als „östliches Venedig“ bezeichnet wurde. Der Ort wurde in der Fotografie des Deltas immer wieder zum entrückten Sehnsuchtsort stilisiert, zur einer Art Bühne, auf der die Versatzstücke einer archaischen Welt dargestellt werden konnten. Im Bildband von Franz Bahl „Die Donau von der Quelle bis zur Mündung“ (1961) wird diese Bühnenkonstruktion am Beispiel Vylkove (Valkov) besonders deutlich (Abb. 22). Eine der Aufnahmen stammt vom Fotografen Willy Prager, der Ende der 1930-er Jahre im Delta fotografiert hat.[47] Er inszenierte das „östliche Venedig“ als verschachtelte Kulissenwelt, die er (zusammen mit anderen Touristen) von einem Boot im Vordergrund aus beobachtet. Auf diese Wiese entsteht ein Abstand zwischen dem Beobachter und der als fremd apostrophierten Bühne. Die Einheimischen auf der hölzernen Brücke rücken in den Stand von Staffagefiguren, die die ungewöhnliche Szenerie bevölkern.

Bis in die späten 1960er bildete die mehr oder weniger ausgeprägte Exotisierung des Deltas und seiner alteingesessenen Bewohner einen festen Topos in der Bildbandliteratur über die Donau. Danach verschwinden die archaischen Motive (und damit auch die Bilder der Lipowaner) für einige Jahre in der Versenkung. Im Kontext der brachialen Urbanisierung und Modernisierung unter Nicolae Ceaușescu wurde die rurale Idylle des Deltas, die bis in die späten 1960-er Jahre auch als national kodierte Frontier-Landschaft diente, offenbar nicht mehr gebraucht. Erst in der nachkommunistischen Zeit tauchen die Lipowaner wieder auf – als Prototypen einer fast untergegangenen Kultur. Inge Morath etwa fotografierte für ihren Bildband „Donau“ (1994) Mitte der 1990-er Jahre einen lipowanischen Fischer in Sulina (Abb. 23). Im Bildtext zum heißt es: „Die Lippowaner halten an ihren Bräuchen und langen weißen Bärten fest. Abends, wenn sie von einem Tag auf dem Wasser heimrudern, singen sie russische Lieder.“[48]

Die ökologische Wende

Dan Grigorescus Band entstand in einer Phase, in der das Delta von staatlicher Seite vor allem als Zielgebiet der wirtschaftlichen Modernisierung betrachtet wurde. Industriell verwertet und ausgebeutet wurden vor allem die reichhaltigen Fischvorkommen sowie die ausgedehnten Schilfbestände. Beide Aspekte kommen im Bildband aus dem Jahr 1969 vor. Neben diesen von offizieller Seite favorisierten Delta-Themen zeichnet der Fotograf aber auch das Bild einer entrückten, unberührten Wildnis, die im Buch deutlich mehr Platz einnimmt als die industrielle Seite. Beides, industrielles Entwicklungsgebiet und Natureldorado, wurden in der kommunistischen Zeit in unterschiedlichen Mischverhältnissen zu einer national aufgeladenen Vorzeigelandschaft verschmolzen, die – davon zeugt eine Reihe von mehrsprachigen Bildbänden – auch international Ausstrahlung erlangen sollte. Grigorescus Bildband steht genau an der Schwelle dieser Neuausrichtung des Deltas. Aus dem industriellen Entwicklungsgebiet der 1950-er und 1960-er Jahre wurde ab den 1970-er Jahre zunehmend (auch) ein touristisches Erholungsgebiet. Stellvertretend für diese Akzentverschiebung sei der im Jahr 1970 erschienene Band von Eugen Panighiant „Delta Dunării“ genannt, der, gewiss nicht zufällig, in dem in den 1950-er Jahren gegründeten, populären Verlag „Sport-Turism“ erschien.[49] Er rückte das technisierte und industrialisierte Delta in den Hintergrund und das touristische Naturparadies in den Vordergrund.

Mit dem Fall des Kommunismus in Rumänien änderte sich nach 1989 die Rolle des Deltas ein weiteres Mal. Die unter staatlicher Führung stehende industrielle Nutzung des Deltas geriet in eine tiefgreifende Krise. Teile der staatlichen Betriebe im Mündungsgebiet wurden privatisiert, andere aufgelassen. Der Bruch mit der kommunistischen Vergangenheit wurde demonstrativ und symbolträchtig vollzogen: die industrielle Nutzung des Deltas wurde fortan ausgeblendet, dafür wurde im Donau-Mündungsgebiet öffentlichkeitwirksam eine ökologische Wende ausgerufen. Bereits 1990, also im ersten Jahr nach dem Ende des Kommunismus, wurde das Delta als Naturschutzgebiet (Biosphären-Reservat) ausgewiesen. 1991 wurde es in die Liste der von der UNESCO geförderten Naturschutzgebiete aufgenommen.[50] Das Donaudelta ist seitdem Teil des „Weltnaturerbes“. Ziel dieser Schutzmaßnahmen war nicht nur die symbolische Abrechnung mit der kommunistischen Ära, sondern auch die Weichenstellung zu einer sanften touristischen Erschließung des Gebiets.

Diese Akzentverschiebung vom ehemaligen industriellen Entwicklungsgebiet hin zur schützenswerten Naturlandschaft schlägt sich in zahlreichen Publikationen aber auch in diversen Reiseführern nieder, die vor allem nach der Jahrtausendwende erschienen. Sie wird aber auch in der internationalen Wahrnehmung des Deltas sichtbar. Nach dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur Europäischen Union im Jahr 2007 traten die ausgedehnten Feuchtgebiete der Deltaregion als beispielhafte und schützenswerte „Ökoregion“ in ein gesamteuropäisches Bewusstsein. In einem Bildband, den die die Umweltschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) 2012 in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Umweltministerium herausgab, kommt diese Perspektive besonders deutlich zum Ausdruck. Das Delta wird in suggestiven (teilweise aus der Luft aufgenommenen) Naturaufnahmen als bedrohtes Naturparadies dargestellt. Eine Doppelseite zeigt eine verwunschene Baumlandschaft an einem Donauarm im Winter (Abb. 24). Die niedrige, schilfgedeckte Fischerhütte fügt sich ganz natürlich in diese Ideallandschaft ein. Wenn menschliche Spuren im Delta dargestellt werden, handelt es sich um handwerkliche Tätigkeiten in kleinem, regionalem Maßstab, gezeigt werden etwa die Männer und Frauen bei der Schilfernte oder Fischer bei der Arbeit.

Lost Paradise

Nach 1990 hatte es knapp zwei Jahrzehnte lang den Anschein, das Delta, jene lange Zeit vergessene und später wiederentdeckte Natur- und Ökolandschaft, sei dabei Eingang in einen gesamteuropäischen Horizont zu finden. Und tatsächlich häuften sich in den 1990er und frühen 2000-er Jahren Publikationen, die das Ende der Donau als Ende einer Reise durch ein neues, größeres Europa imaginierten. Aber diese Euphorie dauerte nicht allzu lange. Der Traum vom völkerverbindenden Fluss und, damit verbunden, der Integration seiner östlichen Ausläufer in ein gesamteuropäisches Projekt war bald ausgeträumt. Die Untere Donau und damit auch ihr Mündungsgebiet gerieten, spätestens im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends, wieder weitgehend in Vergessenheit. Das Delta wurde zwar für manche Reisenden zum Geheimtipp abseits der touristischen Massendestinationen. Die touristische Erschließung für ein internationales Publikum erfolgte aber nur sehr langsam.

Neben und nach der zaghaften Wiederentdeckung der Deltalandschaft als unberührte Ökoregion setzte in den letzten Jahren ein zweiter, international weit stärker wahrgenommener Delta-Diskurs ein, der sich in einigen der jüngsten Fotobände gut nachvollziehen lässt. Die hoffnungsvoll beschworene ökologische Paradelandschaft tritt darin in den Hintergrund und wird durch die Bilder eines „verlorenen Paradieses“ ersetzt beziehungsweise überlagert. Die Deltalandschaft am Ende der Donau wurde zum Sinnbild für Europas vergessene Randzonen, zum Symbol einer entlegenen, verlorenen, aber nichtsdestotrotz faszinierenden Landschaft ganz am hintersten Ende des Kontinents. Es fällt auf, dass ein Gutteil dieser fotografischen Statements von (westeuropäischen) Künstlerinnen und Künstlern stammt. Das bedeutet, dass der Blick auf das Delta sich im Spiegel des Fotobuchs ein weiteres Mal verändert hat. Das Mündungsgebiet wurde zu einer Art Folie der künstlerischen Wahrnehmung, es diente aber auch als Projektionsfläche im gesamteuropäischen Kontext.

Noch einen Schritt weiter geht der aus Ex-Jugoslawien stammende und heute in Paris lebende Fotograf Ljubiša Danilović in seinem 2018 Fotoband „Le Lune de Payne“.[51] Die ganz in Schwarz-Weiß gehaltene Bilderzählung beschwört eine düstere Endzeitstimmung herauf (Abb. 27). Das Delta wird zur symbolisch aufgeladenen Projektionsfläche für ein europäisches Untergangsszenario, das sich, so der Autor, an seinen bröckelnden Rändern besser studieren lasse als in seinem Zentrum. Im Delta zeichnet sich das trostlose Szenario nach dem „großen Kollaps“ ab: „the return to a primitive state, a communion with nature, the solitude of last Mankind, those who will survive the great collaps“.[52] Als „Überlebende“ bezeichnet der Fotograf die Menschen, die sich in dieser dystopischen Leere aufhalten, die ihn mehr an eine abweisende Mondlandschaft als ein anziehendes irdisches Ambiente erinnert.

Weit spielerischer (und auch heiterer) inszeniert der österreichische Künstler Josef Trattner das Donauende. In einer mehrstimmigen, multimedialen (Fotografie, Video, Musik, Ton usw.) Performance, die er in den Bildband „Donau / Dunaj / Duna / Dunav / Dunarea / Danube. Sofa Journeys“ (2019) übersetzt, inszeniert er den Fluss als Bühne für seine überraschenden künstlerischen Interventionen.[53] Als roten Faden seiner Donaureise verwendete er ein selbstgebautes Objekt, ein rotes Schaumstoffsofa, das er in und an der Donau positionierte. Dieses Sofa dient ihm als Sitzgelegenheit für seine Gespräche mit Intellektuellen, MusikerInnen und KünstlerInnen. Zugleich ist es aber auch eine Art Fremdkörper, der der Landschaft und dem Fluss einen surrealen Stempel aufdrückt. Am Ende der langen Reise quer durch Europa schwimmt dieses rote Sofa fernab vom Ufer im Schwarzen Meer (Abb. 28). Augenzwinkernd hebt sich die rote Farbe des Kunstobjekts von der mythischen Farbe Blau ab. Das Ende der Donau ist bei Trattner keine Utopie der Natur, auch keine ökologische Insel, sondern ein Spiel der Farben. Dort, wo der Fluss ins Meer übergeht, ist seine Farbe – grau.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Forschungsprojekts „Die Donau lesen. (Trans-)Nationale Narrative im 20. Und 21. Jahrhundert, DACH-Programm FWF/DFG (FWF 4292-G), Projektleitung: Dr. Christoph Leitgeb, IKT, Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, Österreichische Akademie der Wissenschaft.

Gekürzt erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 1 (2022), Jg. 17, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 91–104.

 

[1] Eine ausführliche Beschreibung des Deltas liefert Thede Kahl: Natur und Mensch im Donaudelta, Berlin: Frank und Timme, 2018.

[2] Kurz nach dem Fall des kommunistischen Regimes Ende 1989 wurde im August 1990 das Donaudelta als Biosphärenreservat unter Schutz gestellt. 1993 wurde das Gebiet in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen.

[3] Süddeutsche Zeitung, 27./28. Februar 2021, S. 13.

[4] Vgl. etwa Ulrich Keller: Fotografie und Begehren. Der Triumph der Bildreportage im Medienwettbewerb der Zwischenkriegszeit, in: Annelie Ramsbrock, Annette Vowinckel, Malte Zierenberg (Hg): Fotografien im 20. Jahrhundert. Verbreitung und Vermittlung, Göttingen: Wallstein Verlag 2013), S. 129; Bodo von Dewitz, Robert Lebeck (Hg.): KIOSK. Eine Geschichte der Fotoreportage 1839–1973/A History of Photojournalism 1839–1973, Göttingen: Steidl 2001.

[5] Vgl. Anton Holzer: Picture Stories. The Rise of the Photoessay in Weimar Germany, in: International Journal for History, Culture and Modernity, 6 (1), 2018. 

[6] Vgl. Bettina Lockemann: Blättern. Performative Dimensionen und Zeitlichkeit im Fotobuch, in: Anja Schürmann, Steffen Siegel (Hg.): Weiterblättern! Neue Perspektiven der Fotobuchforschung, Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Heft 159, 2021, S. 7-12.

[7] Ebenda, S. 7 f.

[8] Zur Geschichte der Donaukommission und – damit zusammenhängend – der Stadt Sulina siehe: Constantin Ardeleanu: The European Commission of the Danube, 1856–1958. An Experiment in international Administration, Leiden 2020, S. 272–307

[9] Vom deutschen Geografen und Orientalisten Hugo Grothe sind Fotoaufnahmen u.a. Aufnahmen lipovanischer Behausungen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erhalten. Während des Ersten Weltkriegs wurden sowohl im Auftrag der Deutschen Etappenverwaltung in der Dobrudscha als auch der bulgarischen Besatzungstruppen interdisziplinäre Forschungen mit Fotodokumentationen durchgeführt, die zum Teil auch publiziert wurden, vgl. etwa: Bilder aus der Dobruscha. Herausgegeben von der Deutschen Etappen-Verwaltung in der Dobrudscha. Constanza 1918. Für die Hinweise danke ich Tobias Weger.

[10] Zu ihnen zählte u.a. der amerikanische Journalist und Abenteuer Negley Farson, der seine Reisen (u.a. ins Donaudelta) in seinem Buch „Sailing across Europe“, London 1925 beschrieb. Im Sommer 1922 reiste der aus Madeira stammende Geschäftsmann und Forscher Humberto dos Passos-Freitas zusammen mit Rudolph Pop vom Naturkundlichen Museum in Budapest ins Delta, um ornithologische Studien zu treiben. Die Reise war zugleich ein Jagdausflug. In diesem Kontext sei auch der Ornithologe Alfred Rettig genannt, der als Fotograf und Tierpräparator in Tulcea lebte, der Naturkundemuseen in ganz Europa mit seinen Aufnahmen und auch Präparaten „versorgte“.

[11] Lucien Febvre, Rhein, S. 29

[12] Zu Pragher siehe: Kurt Hochstuhl, Josef Wolf (Berarb.): Brechungen. Willy Pragher. Rumänische Bildräume 1924–1944. Ostfildern 2007. Der fotografische Nachlass Praghers wird im Staatsarchiv Freiburg aufbewahrt und ist online zugänglich (https://www.landesarchiv-bw.de/de/themen/praesentationen—themenzugaenge/49486). Lipowaner sind orthodoxe Altgläubige, die sich der Glaubensreform von Patriarch Nikon widersetzten und ab Ende des 17. Jahrhunderts als „Raskolniki“ („Kirchenspalter“) aus Russland fliehen mussten, u.a. auch in das abgelegene Donaudelta.

[13] Zur (problematischen) Biografie von Bernatzik siehe Doris Byer: Der Fall Hugo Bernatzik. Ein Leben zwischen Ethnologie und Öffentlichkeit, 1897–1953, Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, 1999.

[14] Bernatzik: Ein Vogelparadies, S. 42

[15] Ebenda, S. 7

[16] Ebenda, S. 36

[17] In der Zwischenkriegszeit erschienen zahlreiche Berichte von Faltbootreisen (etwa von Herbert Rittlinger, Lothar-Günther Buchheim, Erich Wustmann, und vielen anderen).

[18] Vgl. dazu ausführlicher: Ortrun Veichtlbauer: Blicke vom Boot: Reisen auf der Donau, in: Österreich in Geschichte und Literatur (mit Geographie), Heft 53, 2009, S. 170-180.

[19] Die Pläne zur wirtschaftlichen Ausbeutung während der Zeit Ceausescus sahen auch vor, dass weite Teile des Deltas trockengelegt werden sollten, um Flächen für die extensive landwirtschaftliche Nutzung zu gewinnen.

[20] Mihail Sadoveanu, Traian Coșovei: Das Donaudelta. Bukarest: Verlag für fremdsprachige Literatur, 1956.

[21] Die Fotos stammen von Dan Grigorescu, Freddy Kaufmann, Sveer Cernescu und Ludovic Rudescu.

[22] Ebenda, Einleitung, o.S.

[23] Ebenda.

[24] Vgl. etwa die Bildbände: Dunarea. Text: Stefan Banulescu, Bukarest: Editura Meridiane, 1969; Dunaj, Donau, Duna, Zusammenstellung: Rudolf Fabry, Bratislava: Sport Bratislava 1969; Kurt Bertram: Vom Banat zum Donaudelta, Leipzig: Brockhaus Verlag, 1963 sowie den Rumänien-Bildband: Imagini din Romania, Bukarest: Editura Meridiane, 1960. Dazu kamen Textbände wie etwa: Fahrt ins Donaudelta und andere Reportagen aus Rumänien, Berlin: Dietz Verlag, 1960.

[25] Stuf [Schilf], Dokumentarfilm 1966, Regie: Titus Mesaroş, Studioul Cinematografic „Alexandru Sahia“, 9.08 Min. Danke für den Hinweis an Olivia Spiridon.

[26] Sadoveanu: Das Donaudelta, 1963, S. 6, S. 8.

[27] Ebenda, S. 7.

[28] Ebenda.

[29] Ebenda, S. 8.

[30] Ebenda, S. 12.

[31] Für die biografischen Hintergrundinformationen zu Dan Grigorescu danke ich Eugen Negrea, Bukarest, schriftliche Mitteilung von 2.11.2020.

[32] Ariana Negropontes und Crisula Ștefanescu sprechen in ihrer Biografie vom „inneren Exil“ Grigorescus. Vgl. Ariana Negropontes, Crisula Ștefanescu: Exilul interior. Dan Er Grigorescu-Negropontes, Bukarest: Editura Vremea 2016.

[33] Eugen Negrea: The Association of Photographer Artists of Romania 1956–2020, in: in: Photography in Romania, PhotoResearcher, Nr. 34, 2020. Guest Editor: Adrian-Silvan Ionescu, S. 88-101, hier S. 89f.

Im Jahr 1964 wurde der erste Überblick über die rumänische künstlerische Fotografie veröffentlicht: Arta Fotografica in Romania, die mehrsprachige Publikation erschien im Verlag Meridiane.

[34] Die grafische Gestaltung des Bandes erfolgte in Zusammenarbeit zwischen dem Virgil Ciocirdel.

[35] Trotz dieses enormen Produktionsaufwands war die Auflage des Bandes relativ bescheiden. Die rumänische Fassung erschien in einer Auflage von 4.850 Stück. Schriftliche Mitteilung von Eugen Negrea vom 2.11.2020.

[36] Alle anderen Texte des Buches sind, in der Definition von Gérard Genette, Paratexte, etwa die Titelei am Beginn und die Bildtitel im Anhang des Bandes. Vgl. Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches.  Campus, Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag 1989 (Neuaufl. 2001).

[37] Grigorescu, o.S.

[38] Grigorescu, o.S.

[39] Ebenda.

[40] Ebenda.

[41] Ebenda.

[42] Ebenda.

[43] Ebenda.

[44] Andrei Pandele: Photography in the „Golden Age Ceausescu“ (1965–1989), in: Photography in Romania, PhotoResearcher, Nr. 34, 2020. Guest Editor: Adrian-Silvan Ionescu, S. 75-87, hier S. 86.

[45] Ester Plicková: Dunaj v Československu. Krásy rieky, Obzor 1965. Plicková (1928–2011) war die Nichte des bekannten slowakischen Fotografen und Ethnologen Karel Plicka.

[46] Das Donaudelta, Geleitwort von Mihail Sadoveanu, Akademiemitglied, Bilderläuterungen von Traian Coșovei, Bukarest: Verlag für fremdsprachige Literatur, 1956, o. S.

[47] Franz Bahl: Die Donau von der Quelle bis zur Mündung, Freilassing: Pannonia Verlag, 1961, S. 183, S. 184.

[48] Morath, S. 133

[49] Eugen Panighiant: Delta Dunării, Bukarest: Editura Sport-Turism, 1970.

[50] Unmittelbar nach der Aufnahme des Deltas in die UNESCO-List der gefährdeten Naturschutzgebiete wurde – wohl nicht zufällig – Dan Grigorescus fotografisches Werk in einer posthumen Ausstellung in Paris 1992 breit gewürdigt.

[51] Ljubiša Danilović: La Lune de Payne, Marcillac-Vallon: Lamaindonne, 2018. Der Band ist in einer englischen und einer französischen Ausgabe erschienen.

[52] Ebenda, Einleitung, o. S.

[53] Josef Trattner: Donau / Dunaj / Duna / Dunav / Dunarea / Danube. Sofa Journeys. Mit einem Vorwort von Ferdinand Schmatz, Wien: Schlebrügge Editor, 2019.

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