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Janez Cvirn: Das Festungsdreieck | Rezension

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Janez Cvirn: Das »Festungsdreieck«. Zur politischen Orientierung der Deutschen in der Untersteiermark (1861–1914). (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark, herausgegeben von der Historischen Landeskommission für Steiermark, Bd. 76.) Wien: LIT Verlag 2016. 328 S.

Von Harald Heppner

Als Festungsdreieck werden die Städte Marburg an der Drau (sl. Maribor), Cilli (sl. Celje) und Pettau (sl. Ptuj) bezeichnet, in denen die deutschsprachige Bevölkerung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs die Mehrheit darstellte. Die Studie, die sich dem Entstehen dieses »Festungsdreiecks « widmet, ist im slowenischen Original bereits vor 20 Jahren erschienen und gilt als Standardwerk zum Thema. Der Autor ist 2013 vor der Zeit verstorben und kann an jenem stofflichen »Faden« daher nicht weiterspinnen. Umso mehr deshalb, weil es seither keine weiterführenden nennenswerten Forschungen von slowenischer Seite zu diesem Thema gibt, hat die Historische Landeskommission für Steiermark die Initiative des Wiener Wirtschafts- und Sozialhistorikers Ernst Bruckmüller aufgegriffen und eine leicht gekürzte deutschsprachige Übersetzung dieses Buches herausgebracht.

Es ist nicht das erste Mal, dass diese wissenschaftliche Institution in Graz slowenische Studien in deutscher Sprache veröffentlicht, denn zum einen gehörte der östliche Teil des heutigen Slowenien bis 1918 zum Herzogtum Steiermark, zum anderen zählen derartige Maßnahmen zu den Gesten guter Nachbarschaft. Bruckmüller begründet die Sinnfälligkeit dieser posthumen Übersetzung im Vorwort, wonach darin so viele wissenswerte Details enthalten seien, dass sie auch solchen Autorinnen und Autoren zugänglich gemacht werden sollten, die der Originalsprache nicht mächtig sind. Dem kann noch hinzugefügt werden: Obwohl teilweise schon vor 1990/91 in der slowenischen Historiografie Tauwetter gegenüber heiklen Themen zu beobachten war, ist die Bearbeitung der Geschichte der »Deutschen« auf slowenischem Boden bis heute aus ihrer randständigen Lage nicht herausgekommen. Während derartige Themenstellungen einst ein Politikum darstellten, besteht das Problem heutzutage darin, dass es in Slowenien immer weniger akademischen Nachwuchs gibt, der das historische Gewicht der einstigen »Deutschen« im eigenen Lande überhaupt einzuschätzen vermag sowie der deutschen Sprache mächtig ist, um weiterführende Forschung zu betreiben. Deshalb hat Cvirns Studie nicht an Aktualität verloren.

Das Opus setzt sich aus insgesamt zehn Kapiteln, einer Quellenbeilage, einem Abkürzungsverzeichnis, einem Quellen und Literaturverzeichnis sowie einem Nachwort von Martin Moll zusammen. Nach einer Einleitung, die die Zeit von 1867 bis 1879 beleuchtet, befasst sich das zweite Kapitel mit der Periode bis 1885, in der bei den Deutschen nationalen Beweggründen eine immer größere Bedeutung eingeräumt wurde. Die Jahre 1885–1888 stuft Cvirn als Scheideweg ein, danach (1887–1893) erfolgten konkrete Maßnahmen zum »Festungsbau« in der Untersteiermark, die am Beispiel der Frage nach der Ausrichtung des Cillier Gymnasiums dargestellt werden. Für die Zeit ab 1895 konstatiert der Verfasser eine Radikalisierung der Politik der Deutschen, die sich gegen ein Sprachengleichgewicht innerhalb der westlichen Reichshälfte richtete. Die folgenden Kapitel behandeln weitere Etappen bis 1914, und erst zuletzt wird die südslawische Frage eingeblendet, die in der Darstellung wohl frühere und breitere Berücksichtigung erfordert hätte, um die Zusammenhänge verständlich zu machen.

Die hauptsächliche Quellenbasis für diese Untersuchung stellten die zeitgenössischen Zeitungen sowie parlamentarische Debatten dar, woraus plausibel wird, dass der Autor dem einstigen Tagesdiskurs am meisten Erklärungspotenzial zugemessen hat. Ohne Zweifel sind derartige Quellen ernst zu nehmen, doch begründen sie die hinter dem Diskurs steckenden Motive nur teilweise. Zum einen wären wohl auch Memoiren, Tagebücher, Briefe etc. von Angehörigen unterschiedlicher Schichten aufschlussreich gewesen, um zu erkennen, wer die Stimmungsmacher und wer die Stimmungsempfänger waren, und auch die Rezeption des »Festungsbaus« auf der Gegenseite hätte vermutlich ein differenzierteres Bild ergeben. Martin Moll weist im Nachwort zurecht darauf hin, dass die Theorienenthaltsamkeit der Untersuchung auffalle. Dem kann hinzugefügt werden: Die Bearbeitung hätte auch der Berücksichtigung demografischer, soziografischer und wirtschaftsstruktureller Facetten bedurft, um die dynamische Entwicklung auf nationalpolitischer Ebene zu unterfüttern, denn das Thema ist ohne Aspekte zum Spannungsverhältnis zwischen Stadt und Land sowie zwischen Arm und Reich nicht abgerundet. Trotz dieser Einwände stellt die Publikation unzweifelhaft eine nutzvolle Handhabe dar, um die Geschichte der Deutschen im nichtdeutschen Umfeld erschließen zu können.

 

Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 2 (2018), Jg. 13 (67), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 109–110.

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