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„Was bleibet, das stiften die Dichter“

Der Literaturwissenschaftler Walter Engel wurde 80 / Ein halbes Jahrhundert im Ost-West-Dialog

 

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Von Balthasar Waitz

Wenn für die meisten deutschen Aussiedler aus Rumänien plötzlich die Welten auseinanderdrifteten, so auch die alte und die neue Heimat, so zählt unser Jubilar Walter Engel zu den wenigen, die es schafften, sich in einem umgestülpten Menschenleben selbst treu zu bleiben. Im Denken wie auch im Handeln. Erinnerungswürdig eine seiner Schaffensstationen, 2014 bei den Deutschen Kulturtagen in Temeswar: Der Referent sprach einfühlsam über die Befindlichkeiten der ausgesiedelten Banater Autoren, blieb jedoch zum Abschluss bei folgendem Bild der Banater deutschen Literatur: ein grünender Baum mit zwei Zweigen.

Stefan Sienerth hatte Engels Credo einmal mit dem treffenden Paradoxon „Heimatbezug und Weltoffenheit“ erklärt: Und wahrlich: Der Literaturwissenschaftler, Hochschullehrer und Publizist Walter Engel spielte in einer mehr als 50-jährigen Schaffenszeit nicht nur die Rolle des Zeitzeugen und Chronisten des deutschen Kulturgeschehens in Rumänien, er wirkte auch als dessen Mitgestalter ersten Ranges. In allem, was seinen Studien, Aufsätzen, Vorträgen, Rezensionen, Interviews und Buchpublikationen Nachhaltigkeit verlieh, ist ein großzügiges Augenmerk zu erkennen – auf die traditionsverbundene rumäniendeutsche und Banater Kultur und speziell Literatur, im gleichen Atemzug auch auf die erneuernden Impulse der jungen Generation, in der alten wie in der neuen Heimat. Am Banater mehrsprachigen Kulturgeschehen geschult, auch weiterhin ein hohes Ansehen bei den rumänischen Kollegen genießend, hat Walter Engel dann als Stiftungsdirektor ein nachhaltiges Projekt eines Ost-West-Dialogs angebahnt und durchgeführt.

Walter Engel wurde am 13. November 1942 in Deutschsanktmichael (rum. Sânmihaiu German) im Banat geboren. Nach Abschluss des Lyzeums in Hatzfeld (rum. Jimbolia) folgte ein Germanistik-Rumänistik-Studium an der Temeswarer Universität (1960–1965). Zwei Jahre war er als Deutschlehrer in Heltau (rum. Cisnădie), Siebenbürgen, tätig. 1968–1972 wirkte er als Kulturredakteur der Publikationen Hermannstädter Zeitung und Die Woche. Schon 1969 sollte der junge Publizist seine spätere gehaltvolle Tätigkeit als Literaturwissenschaftler mit einem vielbeachteten Interview mit dem deutschen Schriftsteller Günter Grass, dem späteren Nobelpreisträger, ankündigen. Aus dem Kulturraum Siebenbürgen wechselte Engel 1972 an die Universität Temeswar, wo er bis zu seiner Aussiedlung 1980 als Dozent am Germanistik-Lehrstuhl wirkte.

Schon ein Jahr nach seiner Aussiedlung promovierte er in Heidelberg zum Dr. phil. über deutsche Literatur im Banat 1840–1939. Dieses Thema, sozusagen „im Gepäck“ aus der alten Heimat mitgebracht, sollte für den Literaturwissenschaftler und Publizisten das Kernthema seiner Studien, Vorträge, Buchpublikationen und journalistischen Beiträge werden und bis heute, selbst im wohlverdienten Ruhestand, nach einer jahrzehntelangen Schaffenszeit, bleiben. Zu seinem Lebensthema, die deutsche Literatur und Kultur im Osten, speziell in Rumänien, fand er dann 1988 zurück als Direktor der Stiftung Haus des deutschen Ostens, seit 1992 Gerhart-Hauptmann-Haus – Deutsch-Osteuropäisches Forum in Düsseldorf. Als Stiftungsdirektor und Leiter des Düsseldorfer Literaturforums Ost-West (1989–2006) sowie 1995 als Gründer des West-Ost-Journals leistete er einen nachhaltigen Beitrag zur Belebung des Ost-West-Dialogs in etlichen kulturellen Bereichen in Deutschland, Mittel- und Osteuropa.

Zu seinen Buchpublikationen zählen unter anderen die Anthologie Von der Heide (Hg.) 1978, die Monografie Franz Ferch sowie die Sammelbände Kulturraum Banat 2007 und Blickpunkt Banat 2013. Walter Engel wurde mit der Bundesverdienstmedaille (2005) und dem Donauschwäbischen Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg (Ehrengabe, 2007) geehrt.

Vor Jahren schloss Walter Engel ein Referat über die Banater deutsche Kultur und Literatur bei einer Kulturtagung im heimatlichen Banat mit den sentenzhaltigen Worten „Was bleibet, das stiften die Dichter“. Man kann diese Worte heute, ohne fehlzugehen, zweifelsohne auch unserem Jubilar und seinem gesamten Schaffen zusprechen.

Balthasar Waitz, geboren in Nitzkydorf (rum. Nițchidorf), ist Schriftsteller, Dichter, Übersetzer und Journalist.

Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 2 (2022), Jg. 17, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 246–248.