Fabian Kümmeler: Korčula. Ländliche Lebenswelten und Gemeinschaften im venezianischen Dalmatien (1420–1499) (Südosteuropäische Arbeiten, Bd. 165). Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg 2021. 516 S.
Die Geschichte der Insel Korčula wurde in vielen Büchern und Werken bearbeitet: von Werken über die ferne Geschichte wie im Buch von Vinko Foretić Otok Korčula u srednjem vijeku do g. 1420 [Die Insel Korčula im Mittelalter bis 1420] bis hin zu modernen Themen wie Tourismus von Zvonka Letica in Prvo stoljeće i pol korčulanskog turizma [Die ersten anderthalb Jahrhunderte des Tourismus auf Korčula], aber in den meisten Fällen befassen sich diese Werke mit Themen und Konzepten, die eigentlich sehr umfassend sind. Das ist jedoch nicht der Fall bei dem hier vorgestellten Buch von Fabian Kümmeler. Kümmeler, ein Historiker, der sich mit den Lebenswelten ländlicher Gemeinschaften beschäftigt, hat sich in diesem Band auf die Mikrogeschichte ländlicher Gesellschaften im venezianischen Dalmatien konzentriert.
Behandelt wird der Zeitraum vom Beginn der venezianischen Herrschaft über Korčula im Jahr 1420 bis zum Ausbruch des dritten Osmanisch-Venezianischen Krieges 1499. Durch eine detaillierte Recherche der Dokumente des Staatsarchivs in Zadar gelang es dem Autor, ein Bild und Zeugnis über die Beziehungen und Lebensweisen der Gemeinden Korčula im 15. Jahrhundert zu erstellen. Der Fond der Gemeinde Korčula, der sich im Staatsarchiv in Zadar findet, bietet Einblick in zahlreiche Gerichtsakten, Geschäftsverträge, Aufzeichnungen über Rechtsstreitigkeiten und Streitbeilegung, die es Kümmeler ermöglichten, oft sehr dramatische Episoden aus der Lebenswelt zahlreicher Bauern und Hirten aus Korčula detailliert zu rekonstruieren. Auf diese Weise wird fast ein ganzes Jahrhundert der Tätigkeit und des Lebens der Gemeinschaften von Korčula sowie der Lebenswelt einzelner Akteure abgedeckt. Kümmeler stellt seine Akteure sowie Korčula selbst in einen größeren regionalen Rahmen und bringt der Leserschaft so die Aktivitäten und den Einfluss von Stato da Mar näher.
Das Buch ist in sieben Kapitel unterteilt, wobei das Hauptthema in den Kapiteln 4, 5 und 6 ausführlich behandelt wird. Gleich zu Beginn stellt Kümmeler seine Thesen vor und beschreibt die Situation auf Korčula: Er gibt einen Einblick in seine Geschichte und in die politischen Beziehungen bis 1420. Auf diese Weise wird es dem Leser, der vielleicht kein Experte ist, ermöglicht, dem Buch zu folgen und die neuen Fakten und Informationen, die es liefern wird, leichter zu verstehen.
Die folgenden Kapitel befassen sich ausführlich mit der Mikrogeschichte des spätmittelalterlichen dalmatinischen Dorfes auf der Insel. Anhand von Geschichten über einzelne Ereignisse und Handlungen verschiedener Personen rekonstruiert Kümmeler ausgewählte Abschnitte der Lebenswelten der Bauern aus Korčula und präsentiert auf dieser Grundlage umfassendere Schlussfolgerungen über die Funktionsweise von Korčulas Dorfgemeinschaften. In jedem Kapitel zeigt er am Beispiel realer Menschen und ihrer Situationen die Struktur der ländlichen Gebiete der Gemeinde Korčula, die Rollen lokaler Beamter sowie venezianischer Führer, aber auch die Meinungen und Einstellungen der einfachen Leute, Nachbarn und Verwandten. Sie alle spielen eine Rolle in Situationen, die mit Ehe, Betrug, Reputation, Mord, Diebstahl und anderem in Zusammenhang stehen. Jeder trägt auf seine Weise zu diesem Rätsel bei, und die Datenmenge, die aus den 31 Schachteln des Fonds im Staatsarchiv in Zadar entnommen werden kann, ist für diesen Zeitraum ungewöhnlich detailliert und erschöpfend. Ein besonderes Kapitel ist den Hirten und ihren Gemeinschaften gewidmet und der Art und Weise, wie diese Gemeinschaften bei ihren täglichen Aktivitäten und im Zusammenleben mit den anderen Bewohnern der Insel funktionierten.
Die Figuren, mit denen uns Kümmeler vertraut macht, sind ganz normale Menschen, Einwohner der Insel Korčula, die aus besonderen Gründen in Gerichtsakten und Dokumenten landeten. Das Buch erwähnt unter anderem den Fall von Vidosius Miogostich aus dem Ort Blatoder, der mehrmals die Zerstörungen auf seinem Grundstück den Behörden gemeldet hat, sowie die Fälle von Brandstiftung und Tiervertreibung zwischen Martin Comarich und Nicolaus Jurievich. Dass die Gastaldi (Prioren) verschiedene Sorgen hatten, beweisen Fälle wie der von Jacobus und Marna, die ihren Haushalt mit einer Konkubine teilten, sowie der Fall von Marussiza und Radovanus de Crain, dessen Wille zu heiraten viel Missfallen, aber auch Reaktionen nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch vom Bischof hervorrief. Es ist nicht möglich, alle Schlussfolgerungen zu jedem Unterthema kurz zu beschreiben, aber angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Studie handelt, die auf umfangreichen Archivrecherchen und einem ausgefeilten theoretisch-methodischen Rahmen basiert, stellt das Buch einen äußerst wertvollen Beitrag zur Sozialgeschichte des spätmittelalterlichen Dalmatiens dar. Kümmeler achtete auch darauf, seine Forschung jedem Leser näher zu bringen, so dass am Ende des Buches neben dem Orts- und Namensverzeichnis auch ein Hinweis zur romanischen Schreibweise slawisch-kroatischer Personen- und Ortsnamen steht.
Alles in allem führt Kümmeler mit seinem Buch auf eine schöne und vor allem interessante Reise in die Welt von Korčula im 15. Jahrhundert. Die letzten Worte lassen Raum für weitere Forschungen, nicht nur der Inseln, sondern auch anderer dalmatinischer Gemeinden. Mit einem klaren Schreibstil, der häufigen Erwähnung von Quellen sowie Erklärungen bringt dieses Buch Experten, aber auch gewöhnlichen Geschichtsinteressierten oder Liebhabern der Insel Korčula die Geschichten näher. Aus diesem Grund hoffe ich, dass andere Verlage die Bedeutung dieses Werks für ein breiteres Publikum verstehen und dass eine Übersetzung des Buches ins Kroatische bald erscheinen wird.
Maja Haraminčić Cebalo
Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 2 (2023), Jg. 18, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 124-126.