Von Thomas Schares
»Das Klima ist wegen der Fieberluft ungesund.«
Aus dem Artikel »Dobrudscha«,
Meyers Grosses Konversationslexikon, 1906, Bd. 6, S. 73.
1. Der Roman und sein Autor
Adolf Meschendörfer ist einer der profilierten siebenbürgischen Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und insbesondere der Zwischenkriegszeit. Der Kronstädter Dichter der Siebenbürgischen Elegie (1927), die eine gewisse Berühmtheit erlangt hat(1), ist insbesondere bekannt als Verfasser dreier Romane – Leonore (1908), Die Stadt im Osten (1931), Der Büffelbrunnen (1935) –, wobei erstgenannter als erster moderner Roman der siebenbürgischen deutschsprachigen Literatur gilt. Der dritte Roman von Adolf Meschendörfer(2), um den es in diesem Beitrag geht, hat die in der unscharf konturierten Gegenwart der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts (bzw. vor dem Ersten Weltkrieg) spielende,(3)autobiografisch(4) motivierte Entwicklungsgeschichte eines Junglehrers zum Gegenstand. In diesem »flott dahinerzählten Liebesroman aus Siebenbürgen«(5), so eine zeitgenössische Kritik im Reich, wird die Zeit im Leben des jungen Mannes vom Kennenlernen seiner späteren Ehefrau bis nach der Geburt ihres Sohnes beschrieben. In 24 Kapiteln beendet der Lehrer Fritz Kraus sein erstes Schuljahr, findet in Windeseile seine zukünftige Frau, heiratet sie (»›Wir sind doch verheiratet – und jetzt sollen wir uns kennenlernen.‹« Büffelbrunnen, S. 136), und die Hochzeitsreise führt in die Dobrudscha: Dieses zentrale 10. Kapitel wird uns in diesem Beitrag besonders beschäftigen. Im weiteren Verlauf des Romans wird der Junglehrer vom blassen Ästheten zum völkisch bewegten, in der Öffentlichkeit aktiven Familienvater. Dabei wandelt er sich im »Konflikt zweier Weltanschauungen von völkisch-idealistischem Bildungsbürgertum […] und kapitalistischem Besitzbürgertum […] im Kleinstadtmilieu […] zur Führungsfigur einer ethnisch-politischen Bewegung chauvinistischer Gesinnung«.(6) Dass der Roman nicht frei ist von der reichsdeutschen völkisch-nationalistischen Ideologie seiner Zeit und den Siedlerromanen von u. a. Hans Grimm (Volk ohne Raum), Josef Ponten (Volk auf dem Wege), Gottfried Rothacker (Das Dorf an der Grenze) nahe steht, ist nicht schwer zu erkennen. So kommt Stefan Sienerth zu dem Schluss: »Die Sympathie der siebenbürgischen Autoren Adolf Meschendörfer und Heinrich Zillich für das nationalsozialistische Deutschland steht außer Zweifel.«(7) Etwas deutlicher wird Alexander Ritter:
Meschendörfer [weist] sich selbst als Teil der ideologisch-politischen Orchestrierung des ›Dritten Reichs‹ aus und als Befürworter der staatlich erzwungenen völkisch-rassistischen, nationalistischen Organisation eines Volkes, der gewalttätigen Unterwerfung der ›Volksfeinde‹ im Inland und besetzten Ausland. Er beteiligt sich an der instrumentalisierenden Pervertierung von Geschichte, Kultur und Politik, mit der die Semantik des gesellschaftspolitischen Raumes im Sinne des Regimes zurechtgerückt werden soll.(8)
Bei jeder Lektüre und Analyse des Romans muss also dieser ideologische Hintergrund mitgelesen werden, auch wenn es, wie in diesem Beitrag, um einen thematischen Ausschnitt des Romans geht, nämlich die Dobrudscha und ihre Rolle innerhalb der Romananlage. Schon der Titel des Romans, Der Büffelbrunnen, verweist auf einen wichtigen Ort innerhalb des Romangeschehens (welches sich eigentlich und überwiegend in Kronstadt abspielt), nämlich das dobrudschadeutsche Dorf Mangea Punar, zu deutsch »Büffelbrunnen«. Das junge Paar begibt sich auf Hochzeitsreise an diesen Ort; die Erlebnisse auf der Reise, am Ziel selbst, dem Dorf Büffelbrunnen, und bei Ausflügen in die Umgebung werden innerhalb des Romanganzen dann zu Schlüsselerlebnissen vor allem für den jungen Protagonisten, der sich, auch aufgrund der Eindrücke, die er in der Dobrudscha sammeln konnte, vom literaturfixierten Elfenbeinturmpädagogen (vgl. Anm. 4) zum Kommunalpolitiker wandelt, dem die Zukunft seiner Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen (im Lichte der messianisch aufscheinenden Reichsidee aus Nazideutschland) das wichtigste Anliegen wird. Diesen Wandel erzählt der Roman, eine »Melange von Heimatroman, Boulevardroman, Entwicklungsroman, Gesellschafts- und Zeitroman, Schwank und Anekdote […], versetzt mit Passagen von volkskundlichen Berichten, historiographischen Abrissen und politischen Bekenntnissen.«(9) Wie nun innerhalb des Romans die Dobrudscha als Landschaft, als Raum erstens vom Autor erzählt und zweitens von den Figuren wahrgenommen wird, drittens, welche Funktionalisierungen der Raum Dobrudscha und der Ort Mangea Punar – Büffelbrunnen innerhalb des Romans erfahren, wie sie autorintentional Bestandteil der weltanschaulichen Isotopie des Texts werden, soll im Folgenden dargestellt werden. Dabei ist ein Ziel der Arbeit die Feststellung kulturwissenschaftlicher Verwertbarkeit von fiktionalen, erzählten Fakta, ein weiteres umgekehrt die Offenlegung einer realitätsbezogenen Funktionszuweisung von erzählter Welt: Das Spannungsverhältnis von Fiktion und Wirklichkeit wird auf faszinierende Weise sichtbar in den Dobrudscha-Schilderungen Menschendörfers in seinem Büffelbrunnen.
2. Reisevorbereitungen
Der »Bierkönig« Georg Dietrich, der Schwiegervater des Junglehrers, hat, ganz Zeichen der Zeit, Geschäftsbeziehungen in die Dobrudscha.(10) Auf der Hochzeitsfeier stilisiert ihn Onkel Florian panegyrisierend als »den kühnen Pionier, der die ewige Aufgabe jedes Kolonistenvolkes begriffen habe und siegreich bis zum Meer vorgedrungen sei« (S. 105). Auch verbringt er mit seinen drei Töchtern, ebenfalls zeittypisch, die Sommerfrische in dieser Region, die erst 1878 ein Teil Rumäniens geworden ist (nicht zu vergessen, dass die Siebenbürger Sachsen auch erst ab 1918/19 rumänische Staatsbürger wurden). In den dreißiger Jahren kann man die Dobrudscha einen touristischen und wirtschaftlichen Expansionsraum für die Sachsen nennen.(11) Dies belegt die Schwiegervaterfigur des Kapitalisten im Roman recht gut. Seine Tochter erzählt ihrem zukünftigen Ehemann:
›Papa […] fuhr einmal im Auto von Konstanza die Meeresküste entlang auf Entdeckungsreisen. Da gibt es türkisch-tatarische, rumänische und bulgarische Ansiedlungen und mitten in diesem Völkerurwald entdeckte er plötzlich ein schwäbisches Dorf, so blitzblank und sauber, als sei es geradewegs von Deutschland her versetzt worden. Da hielt er, kaufte ein Haus mit einem Garten(12), der bis ins Meer hineinführt und schuf sich hier seinen Stützpunkt für den Bierabsatz an der ganzen Küste entlang‹. (Büffelbrunnen, S. 93f.)
Dazu hat der Zukünftige eine lakonisch kurze Meinung: »Morgenland«. Und Onkel Ernst, als er von den Hochzeitsreiseplänen erfährt: »[…] eine so wüste Gegend? Da kann man abgeschlachtet werden, ohne dass jemand in Kronstadt etwas erfährt.« (Büffelbrunnen, S. 108) Dies eröffnet zwei Perspektiven auf den Raum Dobrudscha, die eine ist die stereotypisierende Wahrnehmung als zivilisationsferner, ja gefährlicher, östlich-orientalischer Raum (dies die Sicht von Fritz und Onkel Ernst), die andere ist die eines wirtschaftlich neu zu erschließenden Gebiets (hierfür steht der Bierkönig). Die von der Braut Antonia verwendete Bezeichnung »Völkerurwald« betont die Zivilisationsferne des Raums und konnotiert eine koloniale Blickweise. Die in ihrer Beschreibung auch bereits erwähnten Dobrudschadeutschen, die dem »Urwald« gleich kontrastierend als »blitzblank und sauber« gegenübergestellt werden, werden innerhalb des Bildkreises eine besondere Rolle spielen.
Die Zivilisationsferne der Dobrudscha wird auch in einem Abschnitt dargestellt, in dem die Expansionsbestrebungen des Unternehmers Dietrich, die Ausweitung seiner Geschäftsbeziehungen ins rumänische Altreich noch vor der staatlichen Zusammenlegung Siebenbürgens mit dem Königreich Rumänien, dargestellt werden: »[…] er kennt die Moldau, die Walachei und die Schlammwege der Dobrudscha« (Büffelbrunnen, S. 63). Das wagemutige Entrepreneurtum des Bierkönigs erschließt seinen Geschäftsinteressen auch den bislang nur auf »Schlammwegen« zugänglichen Raum der Dobrudscha. Das unscheinbare Wort evoziert (auch in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts) die vorzivilisatorischen Steppenlandschaften Osteuropas, die herbstlich verschlammten Verkehrswege des Kaukasusvorlands. Die schlechten Straßennetze der europäischen Türkei waren sprichwörtlich.(13)
3. Reise in die Dobrudscha
Die Reise des frisch getrauten Paars in die Dobrudscha wird ausführlich geschildert. Die Distanz, die zurückgelegt wird, spiegelt sich in den wechselnden Landschaften, die durch die Zugfenster beobachtet werden. Durchs »kalte Gebirgstal« (S. 108) der Prahova geht die Fahrt »in die walachische Tiefebene«, »Dörfer, Friedhofmauern, Petroleumfelder mit ihren schwarzen Totentürmen huschen vorbei« (S. 109), über die Hauptstadt »Bukarest. Revolte am Bahnhof, stürmende Badegäste […] Hunderttausend flüchten aus der siedenden Stadt.« (S. 110) Die Schickeria der Hauptstadt begibt sich also ans Meer: Die Sommerfrische am Meer ist seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zum Massenvergnügen geworden, die Dobrudscha wird seit der Vollendung der Bahnverbindung mit der Fertigstellung der Donaubrücke bei Cernavoda 1895, damals das längste Brückenbauwerk Europas, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch touristisch erschlossen, Konstanza mit Mamaia und Mangalia sind in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts bereits gut ausgebaute Seebäder, das Kasino von Konstanza ist das Wahrzeichen dieser neuen Epoche des Tourismus.(14)
Von Bukarest aus führt die Bahnfahrt des Brautpaars nun geraden Wegs in die Dobrudscha, mehr als zehn Kilometer über die stolze Brücke von Cernavoda über Weidenwälder, die bis an die Brust in der Donau stehen, über schwimmende Inseln von gelben und weißen Wasserrosen […] schwarz vermummte Frauen harken längs des Weges und Bauern mit dem Fez auf dem Kopf lenken die hochbeladenen Wagen zu Häuschen, geflochten aus Schilf und Kukuruzlaub wie die Eingeborenenhütten der Südsee. (Büffelbrunnen, S. 110)
In diesem Abschnitt werden zwei Wahrnehmungen von Alterität beschrieben; das ist zum Einen der Hinweis auf den Orient mit der Nennung der im Orient weit verbreiteten und in westlicher Wahrnehmung als Kennzeichen für die arabisch-orientalische Welt stehenden Kopfbedeckung Fes. Zum Anderen ist es der markante und auffallende Vergleich der lokalen Behausungen mit Südseehütten. Dies ist ein Beispiel für die Anwendung kolonialer Deutungsmuster, eine Bildwelt, wie sie dem Leser beispielsweise aus zeitgenössischen Zigarettenbilderalben vertraut war.(15) Solche kolonialen Deutungsmuster finden sich im Roman noch öfter. Die Fahrt mit der Bahn geht weiter, und »Konstanza bringt Meeresatem. Fahnen flattern von den Gebäuden, festlich wogen schwatzende Menschen, Heiterkeit, Genuß, Schmutz und Gier spült das Meer aus dem Orient in diesen Hafen.« (Büffelbrunnen, S. 111) Für die Hafenstadt mit allen positiven und negativen Attributen ist wiederum die Richtung aufschlussreich, aus der das Negative in die Stadt gelangt: aus dem Orient. Nur ein kleines Stück des Wegs kann noch mit der Eisenbahn zurückgelegt werden, »Techirghiol, Movila – Endstation.« (S. 111) Damit sind die heutigen Orte Eforie Nord bzw. Eforie Sud am Liman Techirghiol bezeichnet. Ein »kleiner ruppiger Bauernwagen« bringt das Liebespaar »längs der Küste auf ungebahntem Steppenboden« (S. 111) an den Zielpunkt der Reise. Man unterhält sich: »Noch drei Stunden, denkt er [Fritz], dann sind wir im Schwabendorf, in Mangea Punar. ›Was heißt Mangea Punar?‹ fragt er. ›Das ist türkisch, heißt: Büffelbrunnen. Wir Mädchen haben jeden Sommer im Schwarzen Meer gebadet […].‹« (S. 111) Und schließlich: »Sie sind weit weg von Europa, dieser ganzen verklungenen Welt.« (S. 112) Wieder wird der Gegensatz Orient–Okzident bemüht, um den Ort innerhalb eines geistigen Koordinatensystems zu positionieren, eine randständige Zivilisationsferne schwingt in diesem Jenseits-von-Europa mit. Die Ankunft des jungen Paars Fritz und Antonia Kraus ist geprägt von ihrem Bewusstsein, den vertrauten Zivilisationsraum, der von den Koordinaten Europa und Okzident bestimmt wird, verlassen und eine orientalisch-balkanische, vorzivilisatorische Welt betreten zu haben, die mit kolonialem Blick betrachtet wird.
Der Wechsel von der Berglandschaft zur Küstenlandschaft wird ebenfalls thematisiert: Immer wieder wird das Tageslicht, die Farbe des Himmels, die Intensität der Sonne beschrieben; die Andersartigkeit der Atmosphäre in der Wahrnehmung des Kronstädters, der eingekesselt zwischen Bergen lebt, findet sprachlichen Ausdruck: »[…] in dem gewaltig wogenden Lichtmeer […] ins Uferlose dehnten sich hier Landschaft und Träume und in brünstiger Umarmung ersättigten sich hier Himmel und Erde […]« (S. 113); »der ewig fächelnde Meereswind« (S. 115); »inmitten des grellen Sonnenmeers« (S. 115); »schüttende Sonne« (S. 116), »in der üppigen Sonne« (S. 117). »Unendlich wie Himmel und Meer erstreckte sich das Gold der schwarzen Erde.« (S. 145) Erste Wahrnehmung ist die elementare Andersartigkeit der Umgebung, vom Licht und der Luft, von der Gleichförmigkeit der Landschaft sind die ersten Eindrücke geprägt.
4. Mangea Punar – das »Schwabendorf« und seine Bewohner
Der Ort, in dem das Brautpaar seinen Urlaub, sozusagen seine Flitterwochen, verbringt, ist Gegenstand einer besonders geschärften Wahrnehmung von Seiten des Junglehrers Fritz Kraus, der zum ersten Mal in seinem Leben die Dobrudscha und ein dobrudschadeutsches Dorf besucht. So werden viele Details des Dorfs und seiner Bewohner vermittelt, wobei nicht immer deutlich wird, ob die Sichtweise des Erzählers oder die von Fritz Kraus vertextet ist.
Am ersten Morgen sieht sich Fritz Kraus nach einer kurzen Inspektion des Quartiers – ein Bauernhof, der im Roman auch detailliert beschrieben wird – den Ort an:
Ein Schwabendorf mitten im Orient! Dies Dorf am Büffelbrunnen bestand nur aus einer Straße – breit wie die Siegesstraße einer Millionenstadt. Alle Häuser waren gleich gebaut, schön weiß und blau getüncht, mit einem Vorgärtchen geziert […] mit einer gastfreundlichen Steinbank vor dem Tor. Hundert Häuser, schätzte er, hundert deutsche Lehmhäuser am Schwarzen Meer inmitten von Tartaren, Türken, Bulgaren, Rumänen, Lipowanern, Albanern, Tscherkessen.(16) Am Eingang dieser breiten Dorfallee stand in einem Steinhaufen aufgerichtet ein riesiges schwarzes Kreuz und in der Mitte der Straße betonte noch einmal ein aus Lehmklößen gebackenes Kirchlein das christliche Europa. An den beiden Enden der Straße aber tat sich die dampfende, sonnendurchflutete, sonnengetränkte, smaragdene Steppe auf und hinter den Häusern und Gärten da schimmerte das Meer. (S. 114)
In diesem Abschnitt wird eine detaillierte Ortsbeschreibung vorgenommen, die sich mit anderen Beschreibungen und erhaltenen Bildzeugnissen abgleichen lässt. Dabei ist festzustellen, dass Meschendörfer den Ort korrekt beschreibt, denn andere Beschreibungen decken sich mit der seinen:
[…] die sehr breite Dorfstraße säumten weißgekalkte Mäuerchen, die davor verlaufende Baumallee […] Bauernhäuser, die Giebel der Straße zugekehrt, zeigten hübsche blaue Fensterrahmen und Türen vor schneeweißem Hintergrund […] das große schlichte Kreuz inmitten der Dorfeinfahrt, auf großem weißen [sic] Würfel hochaufgerichtet.(17)
Bis in die Details stimmen hier die Angaben, die ein Kronstädter in seinen Lebenserinnerungen macht, mit denen Meschendörfers überein. Ein Vergleich mit erhaltenen zeitgenössischen Fotografien bringt weitere Bestätigung, dass Menschendörfer sich bei der Ortsbeschreibung eng an die Realität gehalten hat. Bei Traeger(18) findet sich die Abbildung eines Dorfkreuzes (in Caramurat), die eine präzise Vorstellung von dem beschriebenen vermittelt. Einen guten Eindruck von der treffend beschriebenen Hauptstraße vermittelt eine Aufnahme im Heimatbuch der Dobrudschadeutschen(19), die Häuser mit den Steinbänken sind erkennbar auf weiteren Aufnahmen am gleichen Ort, S. 347 und 348. Wie verblüffend sich erhaltene Bildzeugnisse mit Menschendörfers Beschreibung decken, belegt folgendes Beispiel: »Ein Zeltwagen mit einem blinden Gaul bespannt hielt mitten auf der Landstraße. Die Messingglocke, die vom Dache hing, wurde kräftig geschüttelt: Der Briefträger war da.« (Büffelbrunnen, S. 136) Im Heimatbuch, S. 350, findet sich ein Foto der Postauslieferung in Mangea Punar.(20) Es zeigt einen einfachen, zweirädrigen, einspännigen Karren, auf dem der Zusteller die Post ausliefert; einzig das Detail des Zeltdachs weicht ab. Ein weiteres Detail gibt Aufschluss über eine in der Dobrudscha typische Art des Hausbaus. Immer wieder wird von den aus Lehm gebauten Häusern gesprochen, von dem »aus Lehmklößen gebackenen Kirchlein« (s. o.). Es handelt sich hierbei um selbst hergestellte, luftgetrocknete Lehmziegel, rum. chirpici (aus türk. kerpiç), in denen Stroh oder andere Füllmaterialien beigemengt sind und die heute noch hergestellt werden.(21) An anderer Stelle im Roman wird auf den Herstellungsprozess eingegangen: »Während [nach einem Gewitter] die Männer vor den Toren standen und fröhlich das Regenereignis besprachen, mußten sich die Frauen sogleich auf neue Arbeiten stürzen und nach der Versorgung des Viehs Lehmziegeln [sic] anfertigen.« (S. 137)
In den Beschreibungen der Ortschaft spielt für den Verfasser die Authentizität augenscheinlich eine wichtige Rolle (auch wenn der reichsdeutsche Leser – man sollte nicht übersehen, dass das Buch schließlich auch im Reich verlegt wurde – diese nur schwerlich hat überprüfen können). Die Beschreibung des deutschen Dobruschadorfs ist dokumentarisch angelegt. Der erste Spaziergang des Junglehrers durch das Dorf, bei dem er über »die niederen Lehmmauern« (S. 114)(22) in die Vorgärten schaut, wird durch einen handlungsmotivisch etwas gezwungen wirkenden Gedanken unterbrochen:
Jetzt fiel ihm ein, daß auch die Haustüre, die er geöffnet hatte, weder Schloß noch Schlüssel besaß und nur mit einem fallenden Holzhebel sperrte. Antonia schlief also bei offener Türe! Jeder Tartar oder Tscherkesse, der mit seinem Pferde zufällig vor dem Hause hielt, konnte sie ihm stiebitzen […] Räubergeschichten gab es doch täglich auf dem Balkan […]. (S. 115)
Der von Onkel Otto vorher geäußerte Gedanke der Gefährlichkeit und Zivilisationsferne des nun explizit so genannten Balkans wird wieder aufgegriffen und (vermutlich zwecks komischer Effekte) dramatisiert – eine gefährliche Situation wird das Brautpaar während des gesamten Aufenthalts in der Dobrudscha nicht erleben.
Die fast dokumentarisch anmutende Beschreibung erstreckt sich auch auf die Bewohner des Dorfs. Antonia charakterisiert diese folgendermaßen:
Wie die Goldsucher in Amerika laufen sie aus allen Himmelsgegenden zusammen, Schwaben und Rheinländer, Sachsen und Bayern, aber immer siegt der Schwäbische Laut und in ganz Osteuropa heißen sie Schwaben. Sie haben ulkige Wörter: das Petroleum nennen sie ›Gas‹, das Auto ›Feuerwagen‹, den Herbst ›Spätjahr‹. (S. 124)
Zunächst lernt das Brautpaar die Familie Baumstark kennen, die dem Bierkönig ihr Haus verkauft hat und den Sommer über im Stall und in den Wirtschaftsgebäuden des Hofs lebt. Simon Baumstark erzählt die Migrationsgeschichte der Familie: »Mein Urgroßvater war ein Elsässer. Er ist am Eismeer gestorben […] Mein Großvater nämlich war nach Bessarabien gekommen. Aber Land hat er nicht bekommen […] Da hat ihn mein Vater sitzen lassen.« Der Vater lässt sich nieder in »Tulcea […] Es hieß, dort bekommt jeder Land. Man hat uns betrogen, Herr, wir mußten uns verdingen. Da bin ich nach Mangea Punar gekommen und habe dies Haus gebaut.« Doch auch hier ist die Existenz prekär, denn: »Das ganze Dorf ist mit dem Bojaren im Prozess. Das Haus aber mußte ich dem Brauer Dietrich verkaufen […]« (S. 119f.) Die Siedlungsgeschichte des Dorfs wird durch die Familiengeschichte Simon Baumstarks präzise wiedergegeben, die einschlägigen Darstellungen(23) informieren darüber, dass die Besiedlung Mangea Punars mit deutschen Siedlern zur letzten Migrationswelle gehört, wobei die Siedler teilweise noch direkt aus Bessarabien gekommen sind, es sich andererseits um Binnenmigration aus dem nördlichen Teil der Dobrudscha – Tulcea wird genannt – handelt. Dass die Migration teils in Generationenschüben vor sich ging, ist ebenso belegt. Auch die weiteren Details der Vereinbarungen mit dem Landbesitzer (dem Bojaren) und die sich anschließenden Auseinandersetzungen und der Prozess um den Landbesitz sind so, wie es der Dorfbewohner in Meschendörfers Roman erzählt, für das Dorf belegbar.(24) Folgende Namen von Dorfbewohnern werden neben Simon Baumstark genannt: Eva Laubert (S. 123), Josef Weber (S. 140), Faltin Hatzenbiller, Jakob Schierer, Johannes Götz, Georg Kiefel, Mathias Tillmann und der Dorfälteste Peter Brandt (S. 124). All diese Familiennamen finden sich auch in den Bewohnerlisten des Orts, die meisten in exakt der gleichen Form, in etwas anderer Schreibung: Hatzenbühler, Lauber, Schmierer.(25) Die Bewohner des real existierenden wie im Roman vorkommenden Orts sind von Meschendörfer ebenso wenig fiktionalisiert wie die bisher besprochenen örtlichen Gegebenheiten.
Fiktionalisiert ist allenfalls die Anzahl der Kinder in den Familien. Simon Baumstark, befragt nach der Anzahl seiner Kinder, antwortet: »›Vierzehn leben, Herr. Fünf sind gestorben.‹« (S. 119) Das ist, gemessen an den überprüfbaren Zahlen, eine gelinde Übertreibung. Das Heimatbuch (S. 342, Anm. 19) gibt einen Durchschnitt von vier bis fünf Kindern pro Familie in Groß-Mangeapunar an.
Das Brautpaar im Roman besucht den Dorfältesten Peter Brandt, den »Gründer von Mangea Punar« (S. 132), und erfährt dabei Genaueres über die Ansiedlung der Deutschen im Dorf. Als der letzte Überlebende der ersten Siedlergeneration berichtet Peter Brandt ausführlich, unter Anderem:
[…] einundsiebzig Familienväter mit 500 Kindern und keine Schule, dafür hat uns der Staat eine rumänische Schule gebaut […] Vor Jahren war eine Kindergärtnerin hier, die lehrte die Kinder deutsche Lieder. […] es gibt noch deutsche Dörfer […] weiter drinnen im Land und an der bulgarischen Grenze. […] 28 Kilometer von Konstanza ist Caramrat [Caramurat] ein großes deutsches Dorf und bei Tulci [Tulcea] sind deutsche Dörfer Culelic [Culelie] und Cugelac [Cogealac] […] es gibt viele Dörfer, wer kann sich um sie kümmern. (S. 133–134)
Zwei Aspekte sind bestimmend für die Erzählungen des Greises: Das ist zum Einen die existenzgefährdende Isolation, in der sich die einzelnen deutschen Siedlungen der Dobrudscha befinden, es gibt keine Verbindungen untereinander, das prekäre Schulwesen gefährdet die Muttersprache, der Zusammenhalt durch die Kirche findet bei ihm keine Erwähnung; zum Anderen ist es das Problem sich hinziehender Prozesse mit dem Bojaren – »Es sind dreißig Jahre, daß wir den Prozeß führen.« (S. 133) –, welches die Alltagswelt der Bewohner prägt. In der bedrückenden Gesamtsituation kann sich kein gesundes, generationenübergreifendes, religiös und kulturell verankertes Gemeinwesen bilden. Die einzig vorhandene einigende Klammer der Kirchen(-gemeinden) in der Dobrudscha übergeht und verschweigt Meschendörfer interessanterweise weitgehend, obwohl die integrierende Kraft der Kirche in Kronstadt apostrophiert wird (S. 99 – einmal wird auch das Kirchengebäude als sichtbares Zeichen westlicher Zivilisiertheit, des Abendlandes beschrieben, S. 114 zit. oben). Die junge Generation geht der Gemeinschaft verloren, denn sie migriert weiter, viele »gehen jetzt nach Amerika. […] [d]ie Jungen sind über das Wasser gefahren […]« (S. 134).
5. Dobrudscha-Impressionen
Bei Ausflügen in die Umgebung lernt Fritz Kraus unter der Führung seiner dobrudscha- erfahrenen Ehefrau die Landschaft und den Lebensraum kennen. Der erste kurze Abstecher gilt dem in der Nähe der Ortschaft gelegenen eponymischen Brunnen. Die auffälligen Tumuli, eine Besonderheit in der Dobrudscha(26), sind das Erste, was die Aufmerksamkeit des Ausflüglers erregt: »winzige grasbewachsene Pyramiden […] Wahrzeichen entschwundener Völker […] Späherposten sagen die einen, Heldengräber die anderen […]«. (S. 121) Es folgen allgemeinere Betrachtungen: »Wie ein wüster, verwunschener Garten lagen hier brache Ländereien für viele Dörfer.« (S. 121) Das Potenzial der Landschaft für eine weitere Kultivierung und Kolonisierung fällt dem Protagonisten auf und wird betont. Flora und Fauna werden ausgiebig beschrieben, vor allem ornithologische und botanische Ausführungen macht der Autor immer wieder (u. a. S. 113, 115–117, 121, 139). Auch die Rückständigkeit und das Fehlen zivilisatorischer Errungenschaften wird wieder vermerkt: »Straßen gab es hier nicht. Das Auto fuhr auf einem Fußpfad, den die Herden getreten hatten.« Am Brunnen schließlich, der als symbolischer Quellort eine zentrale narrativische Funktion hat(27), kommt es zu ersten Reflexionen über das Erlebte. Fritz Kraus tut hier am Ziehbrunnen wieder das, was er immer zu tun scheint, wenn er ins tiefschürfende Nachdenken kommt. Er ergeht sich im Germanenkult: »›Der Brunnen ist seit den Tagen der Cimbern und Teutonen […] ein Symbol des deutschen Menschen […] Goten und Gepiden aber überfluteten wie ein weißes Meer alles Grasland bis tief nach Rußland hinein und hielten jahrhundertelang alle Wasserburgen am Rande ihres unendlichen Steppenreichs.‹« (S. 122) Der Germanenkult(28) dient zur Stützung einer Argumentation, die schließlich ihre Berührungspunkte mit der Volkstumspolitik und der Lebensraumpolitik des »Dritten Reichs« findet: »›Heute sitzen hier wieder blonde, blauäugige Nachfahren. Am Brunnen aber ist ein Kommen und Gehen […] Denn es gibt in Europa noch flüchtige Völker. Am flüchtigsten aber sind seit zweitausend Jahren die Deutschen und die Juden.‹« – »›Deutsches Blut und deutsches Mark, wie wirst Du verschleudert in alle Welt.‹« (So Fritz Kraus in seinen eigenen Worten, S. 122 u. 125.)
Auch bei den obligatorischen Strandbesuchen darf der Germanenkult nicht fehlen: »›Auch dies war einst deutsches Meer.‹« (S. 117), »›Bei Buzeu [Buzău] hat ein Zigeuner den Schatz des Gotenkönigs Athanarich gefunden […]‹« (S. 125). Es gipfelt für den anscheinend von seinem Aufenthalt fiebrig erhitzten Fritz in einem fünf Buchseiten umfassenden Germanentraum (S. 126–130), der von Treue (der Germanen) und Verrat (der Byzantiner) handelt.
Bei einem längeren Ausflug »tun sich noch einmal die Tore des Balkans weit auf«, und man fährt »über Distelfelder ins Ährenmeer«. (S. 145) Unterwegs erwartet das Paar eine wahre Begegnung mit dem Orient: »[…] aus dem sich neigenden Boden stiegen Köpfe mit Echsenhälsen auf und eine Kamelherde schwankte ihnen entgegen. ›Sind wir noch im christlichen Europa?‹, fragte Fritz Kraus, als die großen Tiere von einem hockenden Turbanmenschen gelenkt in strengem Trab vorübergestampft waren.« (S. 147) Die auch den der Dobrudscha kundigeren Leser etwas überraschende Begegnung mit Kamelen mag zunächst als ein realitätsferner Versuch des Autors wirken, Exotik und orientalisches Flair in die Handlung zu bringen, verweisen doch Kamele zunächst in den arabischen Raum. Dass sie aber beispielweise auch im Kaukasus gebräuchliche Lasttiere sind, ist weniger bekannt. Daneben gibt es auch für die Dobrudscha Hinweise auf die Existenz von Dromedaren, beispielsweise gibt es Ansichtskarten aus dem Konstanza der Zwischenkriegszeit, die ein Dromedar in der Stadt zeigen(29) (siehe Abb. 1 links oben).
Man besucht auf dem Weg nach Balcic, der vom Königshaus bevorzugten Residenz an der Küste (als der südliche Teil der Dobrudscha, der Cadrilater, zu Rumänien gehört), die Tartarendörfer Tatlargeac und Belvelie. Sie kamen in die Mongolei, statteten denen einen Besuch ab, deren Vorfahren vor Jahrhunderten auf ihren flinken Pferden Siebenbürgen so oft besucht hatten.
Das Dorf bestand aus ungeheuer vielen Mistbergen, Mistburgen und Mistmauern, aus denen geborstene Lehmruinen mit Mistdächern herausragten. […] schlitzäugige Kinder mit glänzenden, schwarzen Augen. […] d[er] ›Moschee‹, ein […] Häuschen, an dessen flaches Dach ein aus Holz und Blech gezimmertes Minarett angenagelt war. (S. 147–148)
In der Beschreibung des Tatarendorfs wird ein elementarer Kontrast zum vorher beschriebenen Dorf der Deutschen erzeugt. Herrschten dort die Wahrnehmungen von Sauberkeit und Ordnung vor, so sieht das Paar hier nun die Antithese dazu: Schmutz, Provisorium, Unordnung. Das Gotteshaus etwa wirkt in seiner als dilettantisch beschriebenen Konstruktion wie die Mimikry(30) einer »echten« Moschee. Beim Besichtigen des Inneren der Häuser erlebt man allerdings eine Überraschung:
Wohnung besichtigen […] In Erwartung wahrer Schmutzorgien dringen sie mit Todesverachtung ein. […] Die Küche ist sauber getüncht und gefegt, kein Halm liegt auf dem Lehmboden, kein Stäubchen auf den Töpfen, Flaschen und Tellern, die in Reih und Glied mit sechs frischgebackenen Broten auf einem niederen Wandbrett stehen. […] Auf dem Boden aber läuft ein Holzverschlag die Mauer entlang, in gleichmäßige Fächer abgeteilt, und in jedem sitzt auf einem appetitlichen Nest eine scheinbar abgerichtete, stubenreine Henne mit ihren Küchlein oder es liegen ein paar Eier in dem künstlichen Flechtwerk.
Ein riesiger Kamin geht aus der Küche in das Zimmer über. Hier scheint ewiger Feiertag zu herrschen: der Boden ist mit Strohmatten und bessarabischen Teppichen dick belegt und an der Stirnwand stehen nebeneinander aufgestellt frischgewaschene Polster, angeblich sollen all die Lumpen- und Schmutzgestalten hier schlafen. […] in einem gestickten Plüschbehälter hängt an der Wand der Koran. […] die Gäste sind starr vor Staunen […] Sie beglückwünschen den beschnittenen Mohammedaner Jakob Gemaledin […] […] Sie [die Tataren] […] schnalzen und mit ihrer Schnattersprache sind sie auf einmal durch einen Erdteil von uns abgeschlossen, unter sich in Hinterasien […] Sie wollten jetzt ›Türkischen‹ und Rosendultschatz(31) anbieten, aber Antonia lehnt ab. Fluchtähnlich laufen sie zu dem nächsten Haus und zu dem übernächsten […] in diesem tartarischen Mistparadies gibt es nur peinlich saubere Wohnungen. (S. 148–149)
Es gibt einen Gegensatz zwischen Innen und Außen, der in der Beschreibung der Ethnie der Tataren hier instrumentalisiert wird. Zunächst wird der erste Eindruck der Unordnung durch das Wohnungsinnere wieder neutralisiert. Implizit, und im ideologischen Gefüge des Romans durchaus relevant, definiert diese Volksgruppe damit eine bestimmte zivilisatorische Stufe. Sie verstehen es sehr wohl, ihre Wohnungen in Ordnung zu halten (gut), aber einen Sinn für das Gemeinwesen haben sie nicht, davon spricht der Gesamteindruck der Siedlung, die improvisierte Moschee und das Äußere der Behausungen (schlecht).(32) Bei der Besichtigungstour benimmt sich denn auch das Paar nicht wirklich wie Gäste bei Fremden (die Geste der Gastfreundschaft wird abgelehnt), sondern eher wie die Besucher einer Ausstellung, einer jener »Völkerschauen«, wie sie im Reich sehr beliebt waren.(33) In einem Satz dieses Abschnitts erfährt man noch etwas über die Bewohner, die genau denselben Eindruck machen wie ihr Dorf, als »Lumpen- und Schmutzgestalten«; die Tataren hinterlassen in der Wahrnehmung der Besucher einen zwiespältigen Eindruck, als Volksgruppe im direkten Vergleich verlieren diese Muslime als Repräsentanten des Orients, und sie erreichen, laut ihrer Beschreibung im Roman, nur teilweise das zivilisatorische Niveau der Deutschen.
In Mangalia werden bei einem Halt weitere zivilisatorische Beobachtungen gemacht. Zunächst fällt Fritz auf, dass einige Sachsen wirtschaftlich in den neuen Raum vorgedrungen sind:
Auf der Firmentafel einer Selcherei las Fritz Kraus den Namen Knopp. ›Wie kommt der Kronstädter Knopp hierher?‹ ›Vater Knopp macht in Kronstadt Würste und der Sohn in Konstanza versorgt von da aus alle Bäder. Übrigens Nachahmung von Papa‹, sagte sie stolz, ›du findest jetzt Kronstädter überall in der Dobrudscha als Ärzte, Apotheker, Feinmechaniker.‹ (S. 149)
Neben diesen Zeugnissen deutscher Expansion finden sich dann wieder Vertreter anderer Ethnien: »Vor den Schnapsbuden saßen alte, feiste Türken mit verblichenen Turbans auf dem Kopf vor ihren Kaffeeschälchen. Sie hatten die Füße von sich gestreckt und waren ordentlich angeschwemmt von Nichtstun, Frohsinn und Zufriedenheit.« (S. 149) Sie geben ein Bild der Teilnahmslosigkeit und fauler Dekadenz ab.
Bei der Weiterfahrt in den bulgarischen Teil der Dobrudscha (Cadrilater) ist das Paar »wie mit einem Ruck […] plötzlich südlicher gerutscht«. (S. 150) Die gemauerten Brunnen, »in die Felsenwände eingehauen«, aus der Türkenzeit fallen auf, »Frauen stehen mit Tongefäßen auf dem Haupt unbeweglich in der Landschaft wie biblische Gestalten«. (S. 151) Der Autor beschreibt hier eine Impression, die durch ihren Wie- Vergleich wieder in eine orientalische Bildwelt verweist. Dieser Verweis kulminiert in einer exotisierenden Tagtraum-Sequenz in Balcic, wo sich das Paar entrückt wähnt:
Sie verlieren sich träumend in dem Anblick der gegenüberliegenden Moschee, sehen Karawanen ziehen und Palmen schwanken und sind nicht verwundert, wenn zu ihren Füßen ein arabischer Märchenerzähler hockt, der mit halblauter Stimme die Wunder aus ›Tausendundeiner Nacht‹ ausbreitet. […] sie träumen mit offenen Augen und verstehen die Türken. (S. 152)
Dieser letzte Ausflug bildet den Höhepunkt und Abschluss der Hochzeitsreise. Nach der Rückkehr ins »Schwabendorf« ist für den kommenden Morgen die Abreise geplant. Hierbei erlebt das Paar erneut die krisenhafte Situation, in der die Dorfbewohner leben. Die Funktion dieses Dobrudscha-Kapitels innerhalb des Romanganzen wird dabei nochmals explizit deutlich.
6. Funktionalisierung der Dobrudscha und der Dobrudschadeutschen im Roman
Dass der Aufenthalt in der Dobrudscha dem Brautpaar immer wieder Gelegenheit bietet, das Zivilisationsgefälle anhand anderer in diesem multiethnischen Raum ansässigen Bevölkerungsgruppen zu beobachten, ist im vorhergehenden Kapitel bereits hinreichend pointiert worden. Neben den Vorbehalten der Dorfbewohner selbst gegenüber den anderen Ethnien werden auch die wirtschaftliche Aufgabenteilung, die verschiedenen »Nischen«, in denen die verschiedenen Volksgruppen ihrem Erwerb nachgehen, beschrieben, so etwa die Gagausen als Fischer. (S. 138) Simon Baumstark hat einen Steinbutt bei den Gagausen gekauft: »›Wer sind die Kakautzen?‹ fragte Fritz. ›Wie soll ich sagen?‹, er [Simon Baumstark] spuckte verächtlich, ›halb Türken, halb Bulgaren, schlechte Leute.‹« (S. 138)
Die deutschen Dorfbewohner werden von Fritz Kraus zwiespältig betrachtet. Ihre Gemeinschaft ist dysfunktional, zum einen, weil sie als Landlose in einer bedrängenden Abhängigkeit vom (rumänischen) Grundbesitzer (Bojaren) leben müssen; zum anderen, weil sie sich in einer isolierten Lage befinden, wie auch der Dorfälteste Peter Brandt feststellt: »›Es gibt noch, Herr, es gibt viele Dörfer, wer kann sich um sie kümmern?‹« (vgl. Kap. 4).
Die Konsequenzen aus diesem prekären Dasein sind nun, in den Beobachtungen Fritzens und des Romanautors, Auflösungserscheinungen innerhalb der Gemeinschaft. Zum einen sind es schwindendes Solidarverhalten und Vereinzelung, verbunden mit Verarmung, die in egoistischem Verhalten münden: »Arm, arm sind die Leute […] für zehn Franken sind sie imstande, sich gegenseitig zu erschlagen. Alle bearbeiten die Ländereien des Bojaren und bezahlen von ihrer Ernte die Pacht in seine Scheune.« (S. 124) Elisabetha Baumstark: »› […] wir essen jeden Tag Maisbrei(34), nur im Winter schlachten wir Tauben.‹« (S. 139) Eine Dorfbewohnerin macht ihrer Verzweiflung folgendermaßen Luft: »›Soll ich sterben und noch immer nicht wissen, in wessen Haus ich geboren und gestorben bin?‹« (S. 140) Als die wegen der Entwicklung des sich seit 30 Jahren hinziehenden Prozesses mit dem Bojaren (S. 133) aufgebrachten Bewohner sich zur Beratung in die Schenke zurückziehen, bemerkt Peter Brandt: »›Sie besaufen sich und morgen betteln sie beim Bojaren‹ […] Er hatte sein Haus verkauft und sein Geld im Strohsack.« (S. 155) Fritz Kraus zieht Bilanz: »›Wie teilnahmslos diese herumgejagten Landsucher von den Brüdern sprechen, die nah und fern in andern
Dörfern sitzen! Jeder denkt nur an sich, wie er zu etwas kommt.‹«
Daneben steht als Handlungsalternative für die Siedler – und als denkbar negativste Konsequenz – die Abwanderung nach Amerika. Fritz Kraus: »Denn in Amerika sprechen sie schon nach zehn Jahren nicht mehr Deutsch.« (S. 134); Peter Brandt: »Die Leute werden dort nicht alt.« (S. 134) Es spricht für sich, wie der Wunsch der Auswanderung im Roman beschrieben wird:
›Wenn wir den Prozeß [gegen den Bojaren] gewinnen […] wenn wir gewonnen haben‹, murmelte mit funkelnden Augen der glatzköpfige Tischler, ›dann verkauf ich alles. Dann, heidi, nach Amerika, zu den Kindern […]‹ Er streckte die Zunge speichelnd heraus und starrte vor sich wie ein Irrsinniger. (S. 141)
Amerika wird zur Metapher der Europaflucht und kulturellen Selbstaufgabe.(35) Exemplifiziert wird diese Gefährdung aus Kronstädter Perspektive auch am Beispiel des Gefährten von Fritz Kraus, Dr. Otto Weber, und seiner Frau Marioara, der Schwester von Antonia. Die beiden gehen nach Amerika und kommen dort auf recht gewaltsame Weise um.(36) Der Deutsche soll also nicht vor seinen völkischen Wurzeln fliehen, sondern sie im Gegenteil suchen. So werden das Dobrudschadorf und Amerika zwei Pole eines »geographische[n] Fluchtpunkt[s] des Scheiterns für verfehlte Lebenskonzeptionen«.(37)
Die Dobrudschadeutschen geben das Beispiel ab für diejenigen Gruppen von deutschen Ostsiedlern, die in aus gemeinschaftlicher Sicht verfehlten Verhältnissen leben, ja das sogar an Orten, an die sie an sich nicht hingehören. Fritz Kraus fragt seine Frau: »›Ist dir aufgefallen, daß selbst das Meer diese Menschen nur als Bad für ihre Pferde interessiert? Die Kinder wälzen sich lieber im Straßenstaub als hundert Schritte tiefer im feinen Meersand, in ihrem Spielzeug fehlen die Schiffchen.‹« (S. 134f.)
Die Wahrnehmung der Dobrudschadeutschen durch Fritz Kraus spiegelt die spätere nazistische Politik der Heimholung ins Reich. Die verstreuten und isolierten Dörfer galten als unhaltbare Splitter des Deutschtums, und die Bewohner mussten entsprechend von der exponierten Peripherie ins Zentrum zurückgeholt werden, damit sie dem Volkskörper nicht verloren gehen; umgekehrt bedeutet das als Aufgabe für das Individuum die Hinwendung ins Zentrum. Meschendörfer nimmt in seinem Roman also bereits das später tatsächlich Geschehene, die Umsiedlung der Dobrudschadeutschen ins Reich 1940, vorweg. Die Bewohner des Dorfes Büffelbrunnen werden hierbei zum Exempel eines zum Untergang verurteilten, falsch durchgeführten Kolonisierens stilisiert, zum explanativen Element eines chauvinistischen, da rassistisch-völkisch motivierten Ideologems abstrahiert. Durch ihre ideologische Funktionalisierung im Roman verliert ihr Dasein das Besondere und letztlich Individuelle, das das Leben der Dobrudschadeutschen ausgemacht hat. Gerade die Situation in Mangea Punar kann nicht als typisch bezeichnet werden, sie ist allein schon wegen der ungeklärten Besitzverhältnisse und der wechselvollen Ereignisse im Umgang mit dem Bojaren Emil Costinescu und seinen Erben nicht der Normalfall einer dobrudschadeutschen Gemeinde. Indem Meschendörfer die Besonderheit dieser Ereignisse und Umstände in und für Mangea Punar verschweigt und sie zum Normalfall stilisiert, vergeht er sich, Exodus mit Götterdämmerung verwechselnd, eigentlich an der Sache der Dobrudschadeutschen, denn er macht sie in diesem Roman zum Spielmaterial für seine Affirmation nationalsozialistischer Kulturpolitik.
Konterkariert wird diese Szenerie verfehlter Lebensentwürfe durch das Gegenbild des Fritz Kraus, in dem sich ein völkisches Bewusstsein bildet, welches auffällig auf fast schon manisch zu nennendem Germanenkult gründet. Dieser wird greifbar bereits zu Beginn des Romans, als der Junglehrer zum Honterusfest, das als eine im Kollektiv erfahrene Massenveranstaltung an der Honterusquelle in Kronstadt dargestellt wird(38), eine Rede hält, in der er den Germanenmythos beschwört:
›Es sind jetzt 1600 Jahre her […] da standen […] um diese Quelle tausend blonde, blauäugige Krieger […] Waldland, Kaukaland – Heimatland! […] germanische Goten […] überall erhoben sich über Nacht wunderbare Reiche – die Welt war germanisch. […] Aus ihrem Blut ist die ganze abendländische Kultur entstanden! […] Warum besinnen wir uns gerade heute auf unsere Abstammung? Weil es gerade heute gut ist zu wissen, daß unser Ahnherr nicht irgendein wandernder Zigeuner gewesen ist, sondern daß wir von dem ältesten, reinsten Adel Europas abstammen, von jenem Volke, das schon mehrmals die Welt erobert hat, und auch heute fortfährt, mit seinem Geist alle Kulturmenschen zu nähren. […] wir kämpfen hier für das größte und herrlichste Gut, das einer von uns besitzen kann, für unseren deutschen Namen.‹ (S. 49–50)
In dieser Rede ist bereits alles enthalten, was konstituierend ist für das völkische Bild, das Fritz Kraus hier zeichnet. Betont wird die geklitterte kulturelle Überlegenheit und Machtkontinuität der Germanen, damit verbunden wird der Mythos des Blutes, der Abstammung, aus der sich die völkische Verpflichtung der Endogamie ergibt. Die Metapher des Kampfes wird bemüht, um zu verdeutlichen, dass diese Verpflichtung eine gewisse geistige Haltung Fremdem gegenüber einschließt. Identität ist nur möglich als völkische Identität innerhalb des germanisch-deutschen Kollektivs, und dann in der verkleinerten Form, als siebenbürgisch-sächsische (Blut-)Gemeinschaft. Kraus schließt: »Wenn sich aber einmal der Glanz dieses Gutes für euch verdunkeln sollte […] dann ist es nicht mehr der Mühe wert zu kämpfen und das Geschlecht wird in diesem Lande keine Spuren hinterlassen.« (S. 150) Unschwer ist in diesem mit Sendungsbewusstsein vorgetragenen Sermon zu hören, dass es im Zeichen dieser Zukunftsvision keine Vermischung der Kulturen geben kann, schon gar nicht des »Blutes«.
Der Germanenkult durchzieht den gesamten Roman. Fritz Kraus versäumt keine Gelegenheit, eine Bemerkung aus diesem Motivkreis anzubringen. So etwa beim Besuch am Büffelbrunnen und bei Strandbesuchen (vgl. Kap. 5), bei einem Friedhofsbesuch fragt er: »›Ich habe gelesen, in versteckten siebenbürgischen Dörfern soll man heute noch Toten auf das Grab eine weiße Stange mit einer geschnitzten weißen Taube setzen und das sei gotischer Brauch.‹« (S. 327) Der Germanenkult bietet den ideologischen Unterbau für das in der Honterusrede (s. o.) elaborierte elitistisch-rassistische Menschenbild.
Im Zuge dieser ideologischen Zuspitzung nun verlässt der Autor Meschendörfer die stark an der Realität angelehnte, wenig fiktionalisierende Erzähltechnik, verändert und manipuliert Faktisches, um es dem ideologisierenden Gesamtkonzept des Romans unterzuordnen. Die Bewohner des Dobrudschadorfs werden zivilisatorisch als unterhalb der Sachsen stehend beschrieben, da sich bei ihnen (als ›unhaltbarer Splitter‹ haben sie das selbstredend nur teils selbst verschuldet) das Bewusstsein für die Zugehörigkeit zur Volksgruppe, zur ›Schicksalsgemeinschaft des Bluts‹ aufgrund der isolierten Lage weitgehend verloren hat. Dies ist eine verfehlte Darstellung der Selbsteinschätzung dieser Volksgruppe, wie die zahlreichen Erinnerungszeugnisse Dobrudschadeutscher belegen, die vor allem durch ihre Einbettung in die katholische bzw. evangelische Kirche einen Bezug zu ihrem Herkunftsland aufrechterhalten konnten und dies ja auch überzeugend durch die Erhaltung ihrer Muttersprache unter Beweis stellten.(39 )
Die Erlebnisse in der Dobrudscha lösen die sich anschließenden Entwicklungsprozesse in Fritz Kraus mit aus. Er sagt nach der Rückkehr zu seiner Mutter: »›Antonia hat zuvor von den schwäbischen Bauern in Mangea Punar erzählt. Noch vor einem Jahr hätte ich sie kaum beachtet. Jetzt läßt mich ihr Schicksal kaum mehr los und als Deutscher fühle ich mich an ihnen mitschuldig.‹« (S. 158) Beendet wird dieser Gedankengang von Fritz Kraus später: »Doch am meisten aufgerüttelt hatte ihn das Schicksal der deutschen Bauern in Mangea Punar. Daß es überall in der Welt Büffelbrunnen gab, an denen deutsche Wanderer rasten und deutsche Knochen bleichen, das war zu ungeheuerlich, da mußte jeder Deutsche erwachen!« (S. 222) Und nochmals sinniert er später: »[…] so lange ein Volk Kinder hat, ist die Erziehung seine wichtigste Angelegenheit! Ihr deutschen Bauern von Mangea Punar, ihr seid meine Zeugen, euer Untergang ist der bittere Beweis für diese Wahrheit.« (S. 250)
Der im Roman oft thematisierte Prozess mit dem Bojaren (der im Roman anonym bleibt), der die prekäre Lage der Siedler unterstreichen soll, macht die hierbei verwendeten manipulativen Erzähltechniken deutlich. Im Roman wird die Situation folgendermaßen beschrieben: Simon Baumstark erwähnt erstmals: »›Das ganze Dorf ist mit dem Bojaren im Prozeß.‹« (S. 120) Der Dorfälteste Peter Brandt geht ins Detail:
›Vertrag […] In zwei Jahren konnte jeder die Hilfe des Bojaren für sein Haus abarbeiten. […] Im achten Jahr des Vertrags starb der Bojar und seine Tochter erbte […] die Tochter erkannte den Vertrag nicht an und behauptete, alle Häuser gehören ihr […] Da hat man uns die Pacht erhöht […] und jetzt will man uns aus den Häusern jagen […] wir halten in Bukarest einen Advokaten. Der frißt uns das Huhn aus dem Topf […] Es sind dreißig Jahre, daß wir Prozeß führen.‹ (S. 133)
An einem Sonntagmorgen kommt es zu einem Aufruhr vor der Kirche, da an die Tür eine Vorladung einiger Dorfbewohner zum Prozess angeschlagen ist. (S. 139–141) Einen weiteren Tumult erlebt das Brautpaar am Tag der Abreise: Die Bewohner erreicht die Nachricht, dass sie den Prozess verloren haben, und es kommt zu Zwietracht und Streit unter ihnen, der sich in Aggressionen gegen den Dorfältesten Peter Brandt entlädt, aber genau wie der vorherige Tumult wieder im Wirtshaus endet. (S. 152–155)
Dieser Prozess der Dorfbewohner mit dem Bojaren und seinen Nachkommen beruht auf historischen Tatsachen und ist somit überprüfbar. Paul Traeger berichtet dazu im Jahr 1922, dass das Dorf im Jahr 1895 gegründet wurde. Die Siedler hatten
[…] von dem Großgrundbesitzer, dem Minister Emil Costinescu, das ganze über 7000 ha umfassende Gutsland auf 20 Jahre fest gepachtet. Nach Ablauf dieser Zeit sollte das Dorf […] in ihrem Besitz bleiben […] Nach 10 Jahren übergab Costinescu das Gut seinen Schwiegersöhnen, die […] Abänderung des Vertrags verlangten. […] Sie erhielten das Gut gegen eine wesentlich höhere Pacht auf weitere 8 Jahre. […] als die Zeit um war, verpachteten die Gutsherren das Land […] einem rumänischen Großpächter […] Von mehr als 50 Familien blieben nur 16 zurück. […] nach unserer Besetzung der Dobrudscha […] war ein Teil der früheren Bewohner zurückgekehrt.(40)
Das Heimatbuch der Dobrudschadeutschen (S. 340–341) berichtet etwas abweichend, dass 1906 zunächst ein neuer Vertrag mit Costinescu zustande kam, dann wird der Bericht inkonsistent: »Der Bojar starb und unter seiner Tochter – verheiratet mit General Berindei – nahmen die Schwierigkeiten zu. Als dann die Dobrudscha im Ersten Weltkrieg Frontgebiet (1916) wurde, gerieten die Verhältnisse zusehends ins Rutschen […]«. (S. 340) Dies ist chronologisch nicht stimmig, denn Emil Costinescu starb erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1921. Weiter heißt es: »Der Prozeß dauerte von 1921 bis 1936 und endete zu Gunsten der Klägerin.« (S. 341) Demnach setzte der Prozess tatsächlich erst mit dem Tod Costinescus ein. Auf Intervention des Pfarrers Pieger und schließlich auch des Bukarester Erzbischofs Alexandru Theodor Cisar (1924–1948 Erzbischof von Bukarest) kommt schließlich doch eine Einigung mit dem Ehepaar Berindei zustande.
Eine weitere Version der Vorgänge um den Prozess findet sich bei Stinghe(41): Der Text nimmt zwar Bezug auf die Darstellung von Hieronymus Menges im Heimatbuch, hier aber nehmen Pfarrer Pieger und Bischof Cisar schon während des Prozesses Einfluss, durch dessen Urteil dann auch alle Streitigkeiten beigelegt werden. Die Darstellung impliziert eine friedliche Einigung schon durch die Gerichtsentscheidung, wohingegen in der Darstellung im Heimatbuch die Einigung erst nach dem Urteil durch Intervention der Kleriker erzielt wurde.
Zu diesen etwas verwirrenden Umständen kommt noch eine weitere Darstellung hinzu, die den Prozess um Mangea Punar thematisiert. Harald Schiel, Nachkomme einer der wichtigsten Unternehmerfamilien aus Kronstadt (und nebenbei auch einer der Urenkel des Begründers des im Roman vorkommenden Honterusfests), beschreibt in seinen Lebenserinnerungen(42) Sommeraufenthalte der Familie in Mangea Punar. Dabei berichtet er, dass seinem Großvater Samuel Schiel bei dem Prozess eine besondere Rolle zugekommen sei:
Großvater muss wohl ziemlich aufgebracht gewesen sein, als ihm diese halb-leibeigenschaftlichen Verpflichtungen geschildert wurden, und der von ihm angestrengte langwierige Prozess vor dem Staatsgerichtshof endete mit einem Urteil, das die politischen Rechte und materiellen Gegebenheiten dieser etwa dreihundertköpfigen Gemeinde klärte. Jeder Schiel war fortan ein ›Erlöser‹ […](43)
Hier wird eine überraschend andere Version vom Prozess erzählt. Pater »Pier«, mit entstelltem Namen, findet zwar auch bei Schiel Erwähnung, aber nicht im Zusammenhang mit dem Prozess. Dieser ist nach dieser Version vielmehr auf Initiative von Samuel Schiel angestrengt und mit seinem persönlichen Engagement zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht worden. In drei erzählten Versionen des Prozesses finden sich drei voneinander abweichende Berichte. Dass der Bericht von H. Schiel aufgrund der besonderen Mechanismen, denen das Familiengedächtnis mitunter unterliegt, vermutlich nicht vollkommen mit den tatsächlichen Ereignissen zur Deckung zu bringen ist, obwohl der Großvater möglicherweise eine bis heute nicht bekannte Rolle im Prozess gespielt hat, sei dahingestellt. Aber auch zwischen der Version aus dem Heimatbuch und der von Stinghe gibt es erhebliche Abweichungen.
Dass Großvater Schiel allerdings in den erzählten Lebenserinnerungen des Enkels eine ähnliche Rolle spielt wie der Bierkönig in Meschendörfers Roman, nämlich die des Entdeckers dieses Dorfs (»Großvater knatterte […] bis zum Eingang eines Dorfes ungewohnten Anblicks […] ein rein deutschsprachiges Dorf […] dessen Existenz bisher in unseren Kreisen unbekannt war«(44)), er ist es schließlich auch, der es zu einem Urlaubsort für die Sachsen macht, so wie der Bierkönig im Roman der erste Hauskäufer und Kneipenpächter im Dorf ist, diese Parallele zwischen Familienerinnerung und Roman ist schon bemerkenswert.
7. Exkurs: Deutsche und andere Ehtnien im Roman Der Büffelbrunnen
Das in seinen Grundzügen rassistische(45) Menschenbild, welches im Roman vertreten wird, spiegelt sich durchgehend bei den Beschreibungen anderer Ethnien. Bereits Erwähnung gefunden haben die »feisten, faulen« Türken, die zivilisatorisch unterentwickelten Tataren, insgesamt die Wahrnehmung der anderen Ethnien in der Dobrudscha geprägt von kolonialen Vergleichen. Und in Gegensatzkonstruktion dazu stehen die Deutschen. Die Verwendung rassistischer und kolonialer Stereotypisierungen ist neben der evidenten ideologischen Ausrichtung auf reichsdeutsche nationalsozialistische Kultureme und Ideologeme bislang wenig beachtet und beschrieben worden, trägt aber einen wichtigen Baustein zu einer weniger am Ruf, sondern mehr an den Texten interessierten und ausgerichteten Neubewertung des Autors Adolf Meschendörfer bei, die noch immer aussteht(46) und angesichts der unumstrittenen Wichtigkeit des Autors für die siebenbürgisch-sächsische Literatur wünschenswert erscheint.
Die Szene eines Einkaufs auf dem Markt vor der Hochzeitsfeier gibt Meschendörfer Gelegenheit, auktoriale Betrachtungen zu den anwesenden Ethnien anzustellen. Die Mitwohnenden der Unio trium nationum, die Szekler und Ungarn, werden neutral dargestellt, bei Nennung werden ihnen keine Adjektive oder Attribute beigestellt. Bemerkenswert ist aber, dass die Sachsen Szekler Dienstmägde haben: »Hausfrauen und Gevatterinnen, gefolgt von ihren reschen Szekler Mägden« (S. 96), »Szekler Dienstboten« (S. 223), auch die Mutter Kraus hat ein »Szeklermädchen Anna« (S. 159), der Bierkönig »drei ungarische Dienstmägde« (S. 55); an anderer Stelle allerdings stellen die mitwohnenden Nationen schon eine demografische Gefahr dar: Fritz »entdeckte auf einmal, daß in seiner Vaterstadt auch Magyaren und Rumänen wohnten, und zwar erheblich mehr als Sachsen, hörte, wie unheimlich sie sich vermehrten, und daß deutsches Gewerbe und deutscher Handel ständig zurückgingen«. (S. 222) Die Rumänen und Ungarn werden durchaus an den ›höherstehenden‹ Sachsen gemessen: »[…] jedermann weiß [in Kronstadt], was ›sächsisch‹ ist im Gegensatz zu der lockeren Auffassung der Magyaren und Rumänen.« (S. 205) Auch ist man konfrontiert mit der Gefahr einer Assimilation aus Karrieregründen und der damit verbundenen Aufgabe seiner ethnischen Identität, exemplarisch steht dafür der ungarische Schulinspektor Kovacs, der eigentlich der magyarisierte »Schwab« (S. 223) Schmidt ist. Ein ungarischer Arzt, der positiv beschrieben wird, wird von Fritzens Mutter als Ausnahme dargestellt: »›Das ist ein Ungar, den man sich gefallen lassen kann, gutmütig, fröhlich, selbstlos.‹« Aber er hat auch »›in Berlin studiert‹«. (S. 330)
Die Rumänen werden von Meschendörfer nicht neutral dargestellt. Vor allem die Frauen werden in eine negative Perspektive gerückt. Sie sind unansehnlich: »die walachischen Frauen, dick und fettig wie ihre Käslaibe«. (S. 95) Sie sind geldgierig: » […] rumänische Bauern […] stolzierten im Sonntagsstaat […] Ihre Frauen aber gafften […] vor den Tischchen der Geldwechsler«. (S. 96) Die Geldwechsler ihrerseits sind »Armenier, Türken und andere[s] Heidenvolk«. (S. 96) Zwei rumänische Herren aus Bukarest, die beim Bierkönig zu Besuch sind, werden folgendermaßen charakterisiert:
[…] die beiden Fremden setzten sich alsbald wie gerissene Schauspieler in Szene, fuchtelten mit den Armen und verbreiteten den Duft von Haarwasser und orientalischen Wohlgerüchen. Ihre flinken schwarzen Augen rollten beständig hin und her und hatten im Nu Haus, Garten, Einrichtung und Töchter abgeschätzt. Übertrieben höflich, rasch und sicher im Ergreifen jedes Wortes, jeder Wendung, plauderten sie wie geborene Franzosen und wußten Nichtigkeiten in angenehmer Form huldigend anzubringen. (S. 57)
Sie werden mit orientalisch-balkanischen Attributen dargestellt, wobei als Wesenseigenschaften Oberflächlichkeit (»Nichtigkeiten«), Unredlichkeit (»gerissen«) und Habsucht (routiniertes Taxieren des Besitzes) hervorgehoben werden. Auch der Bojar als Großgrundbesitzer bleibt zum einen anonym und steht zum anderen für Habsucht, die sich auch über Abmachungen hinwegsetzt (s. o.). Eine Gruppe rumänischer Lehrerinnen und Lehrer, die im Kurort eine volkstümliche Darbietung geben, werden als stark affektgesteuerte »Naturkinder« beschrieben. (S. 333)
Als gegen Ende des Romans Fritz Kraus mit einem ungarischen Arzt und einem rumänischen Pfarrer beisammen sitzt, hängt jeder für sich seinen ethnisch definierten Träumereien nach. Der Preot sieht, wie die rumänische Jugend sich ausbreitet, »jede Hufe Lands besetzt […] Der sächsische Lehrherr, der magyarische Zwingherr muß weichen […[ in allen Landen von der Theiß bis zum Schwarzen Meer.« (S. 336) Der Ungar hingegen vergegenwärtigt sich die glorreiche Vergangenheit des »stolze[n] Stephansreich[s]«. (S. 336) Fritz Kraus aber ist wieder der Überlegenheit seiner eigenen Ethnie eingedenk und sinniert, an seine schon in der Honterusrede am Romananfang geäußerten Auffassungen anschließend (s. o. Kap. 6): »Ihr Brüder in Siebenbürgen, wir haben ein Recht hier zu sitzen, denn unser Häuflein klein hat dies Land Europa erschlossen. Ohne den Deutschen, du magyarischer und du rumänischer Bruder, wärt ihr heute noch minderjährige Kinder.« (S. 337) Das Bild vom domestizierten Wilden.
»Zigeuner« wird im Roman öfter als ethnisch nicht spezifizierte verächtliche Vokabel verwendet, um die damit verbundenen negativen Konnotate abzurufen, etwa in der Honterusrede (siehe oben) zur Kontrastierung mit dem germanischen »Adel«, ferner um Zustände der Unordnung und des Nonkonformismus zu benennen. Als etwa Fritz Kraus zum ersten Mal Antonia und ihre Schwestern besucht, ist sein Eindruck: »Zigeunerlager«, S. 21. Als Bild für eine unordentliche, undisziplinierte Schulstunde mit mangelnder Affektkontrolle: »[…] vielleicht ist das die neue Mode, wenn die Kinder auf die Bänke steigen und wie die Zigeuner schreien?« (S. 226) All dies sind Beispiele dafür, wie die Bezeichnung »Zigeuner« in phrasemischen Zusammenhängen mit negativer Konnotation mit einer gewissen Selbstverständlichkeit Verwendung findet. Als echte Menschen tauchen »Zigeuner« lediglich in der Marktszene auf, sie stehen hier wiederum für Undiszipliniertheit, Unzivilisiertheit und auch für bedrohliche Erotik und zivilisationsferne (teilweise) Nacktheit:
eine Zigeunerfamilie mit Kupferkesseln auf dem Rücken und nackten Bengeln zur Seite (S. 96); Zigeunerinnen […] Alte Hexen mit verrunzelter Haut und wirren Haarsträhnen […] junge Hexen mit brennenden Augen, bekleidet nur mit einem löcherigen Hemd und einem rotseidenen Tüchlein auf den pechschwarzen Zöpfen, ließen an den nackten Brüsten ihre braunen Würmer schmatzen […] wegen zweier Heller war die ganze Horde bereit, in Geheul und Gotteslästerungen auszubrechen. (S. 97)
Auch antisemitische Ansätze sind im Roman zu finden. Der Bierkönig denkt über seine Geschäftsreisen nach: »er hat sie im Kopf, die tausend Dörfer, in deren Schenke er auf seinem Schafspelz nächtigte, er kennt sie alle, die jüdischen Wirte, ihre Frauen und Söhne, ihre Knoblauchwurst, ihren Schnaps und ihre Läuse, ihre Betrügereien und Garten, Einrichtung und Töchter abgeschätzt. Übertrieben höflich, rasch und sicher im Ergreifen jedes Wortes, jeder Wendung, plauderten sie wie geborene Franzosen und wußten Nichtigkeiten in angenehmer Form huldigend anzubringen. (S. 57)
Sie werden mit orientalisch-balkanischen Attributen dargestellt, wobei als Wesenseigenschaften Oberflächlichkeit (»Nichtigkeiten«), Unredlichkeit (»gerissen«) und Habsucht (routiniertes Taxieren des Besitzes) hervorgehoben werden. Auch der Bojar als Großgrundbesitzer bleibt zum einen anonym und steht zum anderen für Habsucht, die sich auch über Abmachungen hinwegsetzt (s. o.). Eine Gruppe rumänischer Lehrerinnen und Lehrer, die im Kurort eine volkstümliche Darbietung geben, werden als stark affektgesteuerte »Naturkinder« beschrieben. (S. 333)
Als gegen Ende des Romans Fritz Kraus mit einem ungarischen Arzt und einem rumänischen Pfarrer beisammen sitzt, hängt jeder für sich seinen ethnisch definierten Träumereien nach. Der Preot sieht, wie die rumänische Jugend sich ausbreitet, »jede Hufe Lands besetzt […] Der sächsische Lehrherr, der magyarische Zwingherr muß weichen […[ in allen Landen von der Theiß bis zum Schwarzen Meer.« (S. 336) Der Ungar hingegen vergegenwärtigt sich die glorreiche Vergangenheit des »stolze[n] Stephansreich[s]«. (S. 336) Fritz Kraus aber ist wieder der Überlegenheit seiner eigenen Ethnie eingedenk und sinniert, an seine schon in der Honterusrede am Romananfang geäußerten Auffassungen anschließend (s. o. Kap. 6): »Ihr Brüder in Siebenbürgen, wir haben ein Recht hier zu sitzen, denn unser Häuflein klein hat dies Land Europa erschlossen. Ohne den Deutschen, du magyarischer und du rumänischer Bruder, wärt ihr heute noch minderjährige Kinder.« (S. 337) Das Bild vom domestizierten Wilden.
»Zigeuner« wird im Roman öfter als ethnisch nicht spezifizierte verächtliche Vokabel verwendet, um die damit verbundenen negativen Konnotate abzurufen, etwa in der Honterusrede (siehe oben) zur Kontrastierung mit dem germanischen »Adel«, ferner um Zustände der Unordnung und des Nonkonformismus zu benennen. Als etwa Fritz Kraus zum ersten Mal Antonia und ihre Schwestern besucht, ist sein Eindruck: »Zigeunerlager«, S. 21. Als Bild für eine unordentliche, undisziplinierte Schulstunde mit mangelnder Affektkontrolle: »[…] vielleicht ist das die neue Mode, wenn die Kinder auf die Bänke steigen und wie die Zigeuner schreien?« (S. 226) All dies sind Beispiele dafür, wie die Bezeichnung »Zigeuner« in phrasemischen Zusammenhängen mit negativer Konnotation mit einer gewissen Selbstverständlichkeit Verwendung findet. Als echte Menschen tauchen »Zigeuner« lediglich in der Marktszene auf, sie stehen hier wiederum für Undiszipliniertheit, Unzivilisiertheit und auch für bedrohliche Erotik und zivilisationsferne (teilweise) Nacktheit:
eine Zigeunerfamilie mit Kupferkesseln auf dem Rücken und nackten Bengeln zur Seite (S. 96); Zigeunerinnen […] Alte Hexen mit verrunzelter Haut und wirren Haarsträhnen […] junge Hexen mit brennenden Augen, bekleidet nur mit einem löcherigen Hemd und einem rotseidenen Tüchlein auf den pechschwarzen Zöpfen, ließen an den nackten Brüsten ihre braunen Würmer schmatzen […] wegen zweier Heller war die ganze Horde bereit, in Geheul und Gotteslästerungen auszubrechen. (S. 97)
Auch antisemitische Ansätze sind im Roman zu finden. Der Bierkönig denkt über seine Geschäftsreisen nach: »er hat sie im Kopf, die tausend Dörfer, in deren Schenke er auf seinem Schafspelz nächtigte, er kennt sie alle, die jüdischen Wirte, ihre Frauen und Söhne, ihre Knoblauchwurst, ihren Schnaps und ihre Läuse, ihre Betrügereien und Kniffe«. (63f.) Der Jude Isaak Fried verkauft Onkel Florian den Kurort Schlangenbad mit einem betrügerischen Vertrag (S. 180f. u. 240f.), der den Onkel letztendlich kriminell werden lässt. Das übliche Stereotyp des raffgierigen, betrügerischen Juden.
Daneben werden die anderen Ethnien des eigenen Raums vom Personal des Romans mit allgemein abwertenden Bezeichnungen belegt. So sagt Redakteur Gries von der lokalen Tageszeitung: » […] ›in Deutschland ist auch jeder Fußbreit Bodens gepflegt und selbst im Wald findet man da keine so klotzigen Lümmel wie die, mit denen man sich hier jeden Tag raufen muß.‹« (S. 72) Ob damit nun Rumänen, Roma oder andere gemeint sind, wird nicht klar.
Ein weiteres Muster der Wahrnehmung von Ethnien ist durch exotistische und orientalisierende Beschreibung geprägt. So tragen albanische Mädchen in einem Dorf »eine[n] hohen Aufbau aus roten Seidentüchern und silbernen Troddeln auf dem Kopf«. (S. 150) Bei den Tataren haben »die nackten Buben einen Fez auf dem Kopf, die Mädchen mit den münzendurchflochtenen Zöpfen, die ihnen bis in die Kniekehlen reichen«, sie alle sprechen eine »Schnattersprache«. (S. 149)
Schließlich finden sich im Roman noch koloniale Deutungsmuster mit Bezug auf das Kunsthandwerk an einer verfallenden orthodoxen Kirche in Schlangenbad: »Die morschen Eckpfeiler der Balken zeigten ringsherum rohe Schnitzereien, Fratzengesichter von Heiligen, wie sie Insulaner schnitzen.« (S. 326) Die Grabsteine: »In manche waren Gestalten eingeritzt und mit Farbe betont, die an Höhlenzeichnungen aus der Steinzeit erinnerten.« (S. 327) Die rumänische Volkskunst wird als primitiv und rückständig charakterisiert und mit Südseekunst verglichen.
Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang des Ethnienvergleichs Antonia, die Frau von Fritz Kraus. Sie repräsentiert den südöstlichen Typus, vereint in sich mediterrane, orientalische und osteuropäische Züge: »die schönste Frau des Morgenlands« (S. 112), eine »schwarze Römerin« (S. 109), »Geliebte aus dunklem Blut« (S. 125); Fritz sagt: »›[…] keine blonde Aphrodite. Du bist eine schwarze Pallas Athene.‹« (S. 143). An anderer Stelle nennt er sie, wohl in Anspielung auf die dunkle Färbung ihrer Haut, »Zigeunermutter«. (S. 208) Einerseits also vereinnahmt der kolonisierende Germane Fritz den durch Antonia repräsentierten Osten mit der Heirat, andererseits ist die Verbindung aber vorbildlich, denn Antonia ist rassisch einwandfrei, ja geradezu Napolawürdig, sie und ihre zwei Schwestern sind »deutsche Edelrasse«. (S. 70) Die Figur ist letztlich inkonsistent gezeichnet und verkörpert nicht nur, wie Ritter feststellt, die »fruchtbare deutsche Mutter«(47).
Wann immer es im Roman um andere Ethnien geht, sind Perspektive und Beschreibung für und durch den Protagonisten Fritz Kraus und den Autor Meschendörfer geprägt von (kolonialen) rassistischen Deutungsmustern und Wahrnehmungsstereotypen, die je nach beschriebener Ethnie in ihrer Intensität variieren können – Ungarn und Rumänen sind zwar akzeptier- und tolerierbar, etwa als Dienstleute, aber doch nicht auf einer Stufe mit dem »Deutschen«; andere wie die »Zigeuner«, die Tataren usw. werden deutlich negativ auf einer primitiveren Zivilisationsstufe angesiedelt. Antisemitismus zeigt sich in den üblichen Stereotypen, die auch im Roman verwendet werden. Rassismus und koloniale Deutungsmuster prägen den patriarchalisch-überheblichen Blick auf andere Ethnien. Diese werden als zivilisatorisch tiefer stehend beschrieben, ihre Kulturen und kulturellen Erzeugnisse sind aus germanozentrischer Perspektive primitiver und weniger entwickelt. Daneben findet sich konkret an den Raum gebunden balkanisierender Orientalismus(48) mit der dazugehörigen üblichen Wahrnehmungsspannweite. Die imagologische Ausdeutung der Wahrnehmung des Andersseins im Roman von Meschendörfer offenbart immer wieder in ihrem Kern rassistische Ideologeme und Überlegenheitstopoi, die im Text als Bausteine einer auf nazistischer Rassentheorie fußenden Botschaft fungieren.
8. Ausklang
Die Dobrudscha spielt in Adolf Meschendörfers Roman Der Büffelbrunnen nicht nur innerhalb des Handlungsgangs eine wichtige Rolle als Ziel der Hochzeitsreise des Protagonisten, an dem er exotische Schauplätze erleben darf, mit dem Meeresklima vertraut wird und nicht zuletzt ein Dorf voller deutscher Siedler kennenlernt. Das Erlebnis dieser »bedrohten« deutschen Siedlung ist ein wesentlicher Anstoß für den Junglehrer Fritz Kraus, sich von der schöngeistigen Welt zu verabschieden und sich einem politisch tätigen Leben im Sinne eines völkischen Nationalismus zuzuwenden. Daneben aber ist die Dobrudscha für den Autor und auch die Romanfiguren Projektionsraum für die Wahrnehmung und Darstellung von »typisch« Balkanisch-Orientalischem. Aufbauend auf dieser Gegensatzkonstruktion, ist die Wahrnehmung und Darstellung anderer Ethnien im Roman geprägt von einem rassistischen Weltbild, welches die eigene Rasse über alle anderen stellt. Die Reise dient also ebenso einer Selbstfindung wie einer Selbstvergewisserung.
In Büffelbrunnen ist nicht nur »kompensatorisch die Identitätsunsicherheit eines Autors [dokumentiert], der einer deutschsprachigen Minderheit angehört«(49), vielmehr finden sich im Roman vielfältige zeittypische Bezüge zu Balkan- und Orient-stereotypen sowie rassistische Merkmale, die im Romanganzen funktionalisiert werden, um eine der nazistischen Kulturpolitik nahestehende Auffassung zu kommunizieren. Die Dobrudscha und der Ort Mangea Punar mit seinen deutschen Siedlern werden dabei teilweise realistisch beschrieben, teilweise im Sinne dieser Ideologie instrumentalisiert.
Dr. Phil. Thomas Scharen, geboren 1968 in Bitburg/Eifel, studierte Germanistik, Anglistik, Medienwissenschaft, DaF und Romanistik an der Universität Trier. nach beruflichen Stationen in Trier, Hamburg und Bukarest lebt er zur Zeit in Bayreuth. als in Lehre und Forschung tätiger Germanist mit Schwerpunkten in der Lexikografie, Mediävistik, Goethe-Philologie und Kulturwissenschaft publizierte er in jüngerer Zeit u.a. zu den Themen zweisprachige Lexikografie deutsch- rumänisch, Vlad Țepeș, (deutsche in) Bukarest und rumänisch-deutsche Kulturkontakte. Seit 2008 ist Thomas Schares Mitherausgeber von transcarpathica. germanistisches jahrbuch rumänien. Er nahm mit Vorträgen an Konferenzen in Deutschland, Österreich, USA, Spanien und Rumänien teil. Aktuell arbeitet er an der Ausstellung Die deutsche Minderheit in Rumänien. Geschichte und Gegenwart im vereinten Europa mit, die 2015 in Rumänien und Deutschland gezeigt wird, ferner an einem Projekt zu lexikalischer Entlehnung deutsch–rumänisch und Forschungen zur Perzeption Rumäniens im deutschen Sprachraum während des Ersten Weltkriegs.
Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 1 (2014), Jg. 10 (64), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 59–80.
(1) Vgl. Michael Markel: Adolf Meschendörfers »Siebenbürgische Elegie«. Bausteine zu einer Rezeptionsgeschichte. In: Stefan Sienerth, Peter Motzan (Hgg.): Deutsche Regionalliteraturen in Rumänien 1918–1944. München 1997, S. 177–222.
(2) Publikationsgeschichte: Der Büffelbrunnen. München: Albert Langen, Georg Müller 1935; München: Albert Langen, Georg Müller 1936 (11.–15. Tausend); Hamburg: Dt. Hausbücherei (Hanseatische Verlagsanstalt) 1938; Hamburg: Dt. Hausbücherei 1944; zitiert wird nach der Ausg. 1936.
(3) Die Datierung der Romanhandlung ist nicht konsistent vorzunehmen, denn Handlung und Setting legen die Entstehungsgegenwart der dreißiger Jahre auch als Handlungsgegenwart nahe, es gibt aber einige Hinweise im Roman, dass der Autor ihn eigentlich vor dem Ersten Weltkrieg spielen lässt, so etwa auf S. 57, wo die (siebzehnjährige) Antonia eine Begegnung mit König Carol I. und seiner Frau, Regina Elisabeta, »Carmen Sylva« beschreibt; auf S. 37 wird Reichskanzler von Bülow erwähnt (R. 1900 – 1909), und zwar als regierender Kanzler, fernerhin der ungarische Schulinspektor (S. 222ff., also vor 1919), an anderer Stelle die »Machthaber in Budapest« (S. 222); die Grenzverhältnisse sind ebenfalls aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, dies legt eine Romanhandlung im ersten Jahrzehnt des 20. Jh.s nahe; viele Details auf der anderen Seite sind damit nicht vereinbar, so etwa die Badekultur – die ersten Bäder wurden in diesem Jahrzehnt gerade eröffnet (Mamaia 1906) –, die selbstverständliche Verfügbarkeit von Automobilen, viele Details der Alltagswelt und Sittenbeschreibung, als sehr gewichtiger Anachronismus die Angabe, der Prozess zwischen den Dorfbewohnern und dem Bojaren ziehe sich schon 30 Jahre hin (vgl. Kap. 4), können nur auf eine Handlungszeit in den dreißiger Jahren hindeuten; möglicherweise liegen hier Reste verschiedener Entwurfsstufen vor.
(4) Nicht nur ist Fritz Kraus genau wie Meschendörfer Lehrer am Honterus-Lyzeum, neben vielen anderen kleinen Fakten; besonders spitzfindig ist, dass Kraus im Roman einen Aufsatz zu Georg Trakl verfasst hat: Trakl und Rimbaud (vgl. Büffelbrunnen, S. 32f.) – eben diesen Aufsatz hat Meschendörfer selbst in der Zeitschrift Klingsor, 2 (1925) 3 veröffentlicht.
(5) Süddeutsche Monatshefte, 33 (1935), S. 787.
(6) Alexander Ritter: ›Auslandsdeutsche Literatur‹ und nationalsozialistische Literaturpolitik. Adolf Meschendörfers Roman Der Büffelbrunnen. In: Anton Schwob, Stefan Sienerth, Andrei Corbea-Hoişie (Hgg.): Brücken schlagen. Studien zur Literatur des 19. und 20. Jh.s. Festschrift für George Guţu. München 2004, S. 303–341, hier S. 320–21.
(7) Stefan Sienerth: Adolf Meschendörfer und Heinrich Zillich im Literaturbetrieb des Dritten Reiches. In: Michael Markel und Peter Motzan (Hgg.): Deutsche Literatur in Rumänien und das »Dritte Reich«. Vereinnahmung – Verstrickung – Ausgrenzung. München 2003, S. 83–117, S. 87; vgl. auch Johann Böhm: Nationalsozialistische Indoktrination der Deutschen in Rumänien 1932 – 1945. Frankfurt/M. u. a. 2008, S. 156.
(8) Ritter, ›Auslandsdeutsche Literatur‹, Anm. 6, S. 307.
(9) Ritter: ›Auslandsdeutsche Literatur‹, Anm. 6, S. 320.
(10) Beispielsweise gründeten 1877 die österreichischen Brüder Gruber die erste Brauerei in Konstanza.
(11) Vgl. auch Harald Schiel: Lebenserinnerungen. Erster Teil. München 2001, S. 14: »Mit der Zeit zog es nicht nur immer mehr Schiels hierher, sondern zunehmend auch andere Verwandte und Freunde aus Kronstadt und Hermannstadt, – Mangeapunar wurde förmlich Mode, der jährlich einmonatige Aufenthalt für manche Familie selbstverständlich.« Mehr zur Rolle der Schiels betreffs Mangea Punar vgl. Kap. 6.
(12) Vgl. Schiel, ebenda, S. 17: »Die Eltern hatten Haus und Grundstück seinerzeit Frau Götze abgekauft.«
(13) Vgl. Mark Mazower: Der Balkan. 3. Aufl., Berlin 2007 (engl. Original: The Balkans. A Short History. London 2000), S. 56f.
(14) Dies und der Massenaspekt des Badetourismus kann gut beispielsweise an historischen Postkarten studiert werden, die etwa ein (namenloser) Blogger im Blog »only-romania« unter http://only-romania.com/tag/constanta/gesammelt hat; auch auf anderen Webseiten sind zahlreiche Beispiele für den Badetourismus in der Dobrudscha zu finden; im Bildband von Mihail Şerbănescu (Constanţa. Constanţa 2009) finden sich auf S. 80 weitere Abbildungen von Postkarten als Belege für den Badetourismus in seinen Anfängen um 1915.
(15) Wie beispielsweise das verbreitete (noch heute als Sammlerstück in großer Zahl angebotene) Zigaretten-Bilderalbum »Deutsche Kolonien« (1936), herausgegeben vom Cigaretten-Bilderdienst Dresden, Nr. A. 5.
(16) Betreffs der Tscherkessen ist Meschendörfer ungenau, diese haben bereits im 19. Jh. die Dobrudscha restlos verlassen: »Die T. mussten 1878 die Dobrudscha vollständig verlassen.« Edgar Hösch/Karl Nehring/Holm Sundhausen: Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Wien u. a. 2004, S. 197.
(17) Schiel: Lebenserinnerungen, Anm. 11, S. 13f.
(18) Paul Traeger: Die Deutschen in der Dobrudscha. Zugleich ein Beitrag zu den Wanderungen der Deutschen in Osteuropa. München 1922. (Schriften des DAI A.6), S. 92.
(19) Heimatbuch der Dobruschadeutschen 1840 – 1940. Herausgegeben von der Landsmannschaft der Dobrudscha- und Bulgariendeutschen e.V. Heilbronn 1986, S. 346; das Dorfkreuz steht noch heute in Costinești an der Kreuzung Str. Gării – Str. Prof. Alexianu, eine Beschreibung mit Foto findet sich bei Petrică Miu, Traian Cristea: Costinești. Pagini de istorie locală. [Costinești. Blätter zur Lokalgeschichte] Constanța 2005, S. 37 u. 46.
(20) Das Foto ist auch abgebildet in Horia Stinghe, Cornelia Toma: Despre Germanii din Dobrogea. [Über die Dobrudschadeutschen.] Constanța 2007, S. 125.
(21) Auf Abbildung 2 links unten ist zu sehen, wie noch heute in der Dobrudscha chirpici hergestellt wird.
(22) Diese sind auch gut zu erkennen auf dem oben erwähnten Foto mit dem Postwagen, vgl. Anm. 20.
(23) Insbes. Traeger: Die Deutschen in der Dobrudscha, Anm. 18, S. 118–120; vgl. auch Heimatbuch, Anm. 18, S. 340f., dazu auch Hans Petri: Geschichte der deutschen Siedlungen in der Dobrudscha. München 1956.
(24) Zu den Einzelheiten des Prozesses in Roman und Wirklichkeit vgl. Kap. 6.
(25) Vgl. Heimatbuch, Anm. 19, S. 342–344.
(26) Vgl. dazu auch den Beitrag von Paul Traeger (Zur Kenntnis der alten Grabhügel in der Dobrudscha) in: Bilder aus der Dobrudscha. Herausgegeben von der deutschen Etappenverwaltung in der Dobrudscha 1918, S. 131–140.
(27) Vgl. Ritter: ›Auslandsdeutsche Literatur‹, Anm. 6, S. 316f.
(28) Weiteres zur Funktionalisierung des Germanenkults als zentraler Motivkreis im Roman vgl. Kap. 6.
(29) Vgl.http://only-romania.com/2012/03/city-of-constanta-in-old-postcards/(Zugriff24.6.2013),vgl.dazuauch Mazower: Balkan, Anm. 13., S. 58.
(30) Mimikry als die unbeholfene Nachahmung einer Kolonialzivilisation und ihrer Errungenschaften durch die kolonisierte Zivilisation, hier die mimikrysierte Übernahme der osmanisch-muslimischen Zivilisation durch die Tataren: vgl. Homi K. Bhabha: The Location of Culture. London 1994, bes. S. 85ff.
(31) Dulceaţă bekommt man auch als Gast bei walachischen Rumänen angeboten. (»Dultschatze bedeutet Süßigkeit, welche jede Bojarin im Hause von verschiedener Gattung, z. B. Rosen- Citronen- Himbeeren- Zichorien-wurzel- Erdbeer- blaue Violen-Dultschatza, mit Zucker, nach Art einer Conferde bereitet. Unter den Vornehmern wird diese Dultschatza sowohl vor, als Nachmittags vor dem Kaffetrinken genossen, und ein Glas Wasserdaraufgetrunken,daherebenkeinZuckerzumKaffegemischtwird.«AndreasWolf:Beiträgezueiner statistisch-historischen Beschreibung des Fürstenthums Moldau. Hermannstadt 1805, S. 218)
(32) Dieser Gegensatz zwischen gepflegt und ungepflegt findet sich auch in den Beschreibungen der Dobrudschadeutschen Dörfer und Dorfteile bei Traeger, Die Deutschen in der Dobrudscha, Anm. 18, z. B. S. 91: »Aber überall liegen Dreckhaufen und wuchert Unkraut. Da mit einem Male ist die Straße ganz breit und untadelig gepflegt. Wir sind im deutschen Dorfe.« Zu einem vollkommen anderen Ergebnis kommt hier bspw. Roxana Nubert: Ansätze zur Rezeption der orientalischen Welt in der rumäniendeutschen Literatur. Unter besonderer Berücksichtigung von Oscar Walter Cisek und Adolf Meschendörfer. In: XI. Türkischer Internationaler Germanistik-Kongress, 20.–22. Mai 2009 – İzmir: Tagungsbeiträge, İzmir 2010, S. 97–113, und bescheinigt Meschendörfer eine »Neigung […] zu unvoreingenommener Gestaltung tatarischer Lebensformen«; Nubert erkennt zwar im Roman die Kontrastierung von Orient und Okzident, ignoriert aber die zahlreichen Passagen mit kolonialer Blickweise bzw. rassistischer Natur und bescheinigt so dem Autor »ein tiefes Vermögen, auf die Kultur der Türken einzugehen« (S. 109).
(33) Vgl. Christian Koller: Rassismus. Paderborn 2009, S. 7; vgl. auch Anm. 14.
(34) Maisbrei, rum. mămăligă, ist sprichwörtliches Arme-Leute-Essen in der balkanischen Kochtradition.
(35) Vgl. Ritter: ›Auslandsdeutsche Literatur‹, Anm. 6, S. 321.
(36) Der Zusammenhang dieser Beurteilung mit bereits bestehenden Traditionslinien, die sich in die nazistische Heimholungs-Ideologie nahtlos einfügen ließen, soll nicht unerwähnt bleiben: Die Furcht vor dem Aussterben war in der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen seit dem 19. Jh. quasi endemisch, vom demografischen Rückgang und der Thematisierung dessen innerhalb der Gemeinschaft berichtet bspw. schon der Siebenbürgenreisende Charles Boner: Siebenbürgen. Land und Leute. Nachdruck der Ausg. Leipzig 1868, Köln, Wien 1987 (Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens; 13); vgl. auch den Titel von Heinrich Siegmund: Deutschen- Dämmerung in Siebenbürgen. Hermannstadt 1931.
(37) Vgl. Ritter: ›Auslandsdeutsche Literatur‹, Anm. 6, S. 322.
(38) Ebenda, S. 324.
(39) Als lediglich ein Beispiel sei hier erwähnt Mathilde Klein: Von Malkotsch nach Welbsleben. Eine Dobruschadeutsche erzählt ihr Leben. Books on demand 2009 (ISBN 978-3837049374).
(40) Traeger, Die Deutschen in der Dobrudscha, Anm. 18, S. 113–114.
(41) Stinghe/Toma: Despre Germanii din Dobrogea [Über die Deutschen in der Dobrudscha], Anm. 20, S. 123–
(42) Schiel: Lebenserinnerungen, Anm. 11, S. 13–23.
(43) Ebenda, S. 14.
(44) Ebenda, S. 13–14.
(45) Individueller Rassismus bietet als »Gegenstück zur Aufklärung« einen »sicheren Ort der Selbstvergewisserung« für historisch-sozial orientierungslos gewordene Menschen (Louis Dumont), als gesellschaftliches Phänomen eine »ideologische Waffe« in nationalistischen und kolonialimperialistischen Argumentationsweisen (Robert Miles), auch im Sinne der Foucaultschen Bio-Macht, vgl. und zusammengefasst nach Koller: Rassismus, Anmerkung. 32, S. 12–13. In allen diesen Punkten wird der Bezug zu Menschendörfer und seinem Schreiben deutlich.
(46) Vgl. etwa die arg verharmlosenden lexikografischen Darstellungen in der NDB/ADB (Stefan Sienerth, »Meschendörfer, Adolf«, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 206f. Onlinefassung: http://www.deutsche- biographie.de/pnd118831569.html – Sienerth hat später deutlichere Worte gefunden, vgl. Kap. 1) und Waldemar Fromm: Adolf Meschendörfer. In: Killy Literaturlexikon. Bd. 8. Berlin/New York 22010, S. 189–190, ebenso der Eintrag in der deutschen Wikipedia.
(47) Ritter: ›Auslandsdeutsche Literatur‹, Anm. 6, S. 323.
(48) »Von Anfang an war der Balkan jedoch mehr als ein geographisches Konzept. Der Begriff war, anders als seine Vorgänger, mit negativen Konnotationen besetzt – mit Gewalt, Unzivilisiertheit, Primitivismus […]« Mazower: Balkan, Anm. 13, S. 29; das theoretische und praktische Fundament zur Erforschung der speziellen Formen der Wahrnehmung des Andersseins von Südosteuropa im Blickfeld des westlichen Europa (Okzident) bilden die Arbeiten von Maria Todorova (Imagining the Balkans. New York 22009) und Edward Said (Orientalism. Zahlr. Aufl., letzte: London 2003).
(49) Fromm: Adolf Meschendörfer (Killy Literaturlexikon), Anm. 46, S. 190.