Mit dem Schwerpunktthema „Konzepte des Kollektiven“ widmen wir uns in dieser Ausgabe exemplarisch Fragen der Benennung von Gruppen in Südosteuropa. Selbstverständlich geht es um viel mehr als um die bloße Nomenklatur. Die kollektive Zuschreibung, sei sie nun endogen oder exogen, akademisch induziert oder im Alltagsdiskurs etabliert, ist untrennbar mit der Wahrnehmung einer Gruppe verbunden – und oft eine Art Handlungsanweisung: Werdet Euch ähnlich, fühlt Euch zusammengehörig! Unter der redaktionellen Leitung von Tobias Weger haben sich sechs Autorinnen und Autoren auf die Spuren dieses Phänomens begeben und inspirieren mit ihren verschiedenen Perspektiven zu einer vertieften Auseinandersetzung.
Im Feld der Sprachwissenschaft bewegen sich die weiteren Beiträge: Alfred Wildfeuer (Augsburg) untersucht Alltagsdiskurse aus einer philologischen Perspektive und wirft für uns einen vergleichenden Blick auf Transkarpatien und das Banat. Im Interview mit Johanna Holzer stellt unsere Vorstandsvorsitzende Prof. Claudia M. Riehl die Internationale Forschungsstelle für Mehrsprachigkeit an der LMU München vor, deren Leiterin sie ist. Im Werkstattbericht zum Wörterbuch der ungarndeutschen Mundarten (WUM) von Viktória Nagy und Szimonetta Waldhauser rückt einmal mehr die Dialektforschung in den Mittelpunkt. Beáta Márkus stellt in ihrem Arbeitsbericht lokale Archivquellen zur Deportation der Ungarndeutschen in die Sowjetunion 1944/1945 vor.
Im Literaturteil dieser Ausgabe werden neben Beiträgen unserer etablierten Autorinnen und Autoren erstmals die mit dem Spiegelungen-Preis für Minimalprosa 2020 ausgezeichneten Texte von Natalie Buchholz, Mariana Codruț und Halyna Jazenko in ihren deutschsprachigen Fassungen veröffentlicht. Darüber hinaus können Sie die deutschsprachigen Versionen weiterer, von den Jurys sehr weit vorne gereihter Texte nachlesen.
Im Feuilleton spiegelt sich wie immer das breite Spektrum unserer Themen wider: Es geht mit Carmen-Francesca Banciu um eine persönliche Perspektive auf zeitgenössisches Theater, Renata SakoHoess stellt uns die Pressburger Autorin Therese Schröer vor, und mit Renate Lunzer werfen wir einen melancholischen Blick auf die ehemalige k. u. k. Hafenstadt Pula. Nicht zuletzt fügt Irvin Lukežić mit einem Porträt Arthur Steinackers, Bankier und Fabrikant aus Rijeka, unserem Kulturhauptstadt- Mosaik einen weiteren Baustein hinzu.
Rijeka behält angesichts der schwierigen Umstände den Status der Europäischen Kulturhauptstadt auch im Jahr 2021. Darum werden wir unter der redaktionellen Leitung von Angela Ilić unseren Rijeka-Fokus weiterführen – die Beiträge sind, wie auch die Besprechungen und weitere ausgewählte Texte, auf www.spiegelungen.net frei zugänglich. Wir sind froh, dass wir gemeinsam mit dem Verlag Friedrich Pustet diesen „hybriden“ Weg gehen können und auf diese Weise eine noch breitere Leserschaft erreichen.
Die Spiegelungen erfahren, nachdem wir vor einiger Zeit unser Doppelblindes Peer-Review-Verfahren eingeführt haben, zwei weitere Aufwertungen: Einerseits verfügt unsere Zeitschrift ab dieser Ausgabe über einen Redaktionsbeirat, der der Redaktion in konzeptionellen Fragen beratend zur Seite steht. Zum anderen sind die Spiegelungen seit Kurzem offiziell in ERIH PLUS (European Reference Index for the Humanities and Social Sciences) indiziert. Auch aus der Redaktion gibt es Neuigkeiten: Ab der nächsten Ausgabe wird Tobias Weger die Aufgabe des verantwortlichen Redakteurs übernehmen. Florian Kührer-Wielach bleibt Herausgeber und arbeitet weiter in der Redaktion mit.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
Ihre
Spiegelungen-Redaktion
Erschienen in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Heft 2 (2020), Jg. 15, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 7–8.